Michael Blümel: Gedichte, Prosa, Graphik
josé saramago, der
erste tag nach seinem tod
gottloser
du, schufst quellen der erkenntnis
entspringen
den lesenden augen,
der
saft tiefer weisheiten, schalk des ernstes,
labyrinthe
aller geburten, errichteter weltschmerzen,
überkreuzen
ihre bahnen entlang des
urknalls
zeigen
sich absurde chimären, die dali mit linien &
flächen
hätte trefflich ergänzen können.
jetzt
schleichen feige, bösartige zungen umher,
ihre
heuchlerischen blasen platzen in
gekreuzigten zeitungen
verdammen
sie dich, weil ihre vorstellungen, fleischigen gelüste
voll
neid hinter dicken mauern & beweihräucherten zellen
den
jahrhunderten ketzerisch hinterherhinken.
von
weitem grinst du mit großen augen, selbst dein
kleinster
schritt, geheimster hauch, geflüstertes wort
macht
ihnen angst, dabei gehen sichel & hammer
auseinander
– in ihren köpfen – bist du der
teufel
in person, in den augen der leser
ein
gott.
gerne
wäre ich gepilgert – zu deinem haus, aber es blieben
ein
brief & eine postkarte in
gegenseitiger anerkennung
blieben
unsere worte in schubladen, unsere wünsche im raum.
es
ist gut, dass ich viele bilder nach dir schuf & weiter schaffen werde.
der
teufel kniet in rom,
auf
einen entheiligten altar
gehören
seine bücher.
von
weitem grinst du mit wachen augen -------------------gottloser du.
an einem denkmal
für vergessene wähler
zwei
querliegende balken, mit halbkreis, ähnlich einer panzersperre,
überwuchert
von schnecken,
gehäuse an gehäuse,
quertreibendem
gras, gestrüpp, wilden blumen,
entwachsen dem boden zuerst, fordern
betretende auf
sich
ihnen zu nähern, hochfüßig, mit den knien voran, während
herumwedelnde arme angriffslustige
blutsauger fernhalten,
entschlüpfen
vermißte metallene körperteile der erde.
nach
dem neugierigen rupfen, treten sich streckende körper in erscheinung,
aufgebäumt,
mit schreibgriffel fuchtelnd, zeichnen sie kreuze in die luft.
verrostete
wähler, dummys ähnlich,
weder
weiblich noch männlich,
maschinengezwirbel
in erwartungsvollen gebärden,
schreibunkundige
sklaven, gehorsamstmechanismen,
tanzend
um ein übergroßes wahlfeld,
heben
den hügel aus seinen achsen.
die
besucher schwanken, balancieren über ein spinnennetz
abwärts
gehen
die gefühle als was gesehen zu werden?
cahors
(südfrankreich)
der
fluß lot der-die-das-spielchen zumeist
am beginn,
noch
vorm betreten des ersten alten steinpflasters,
neben
einem zeitungskiosk
stehen
schüler ungeduldige schlangen, um fastfood zu schnappen,
meiden sie bessere alternativen
gibt’s
in diesem städtchen schon, dort sitzen zumeist angestellte,
unschuldsmimige
banker mit textilien wie ablenkungsmanöver, ihre mobiltelefone tauchen sie in
rotwein, rasante gespräche, gebettet in dicke servietten.
entlang
des boulevard gambetta, steilansteigend, der atem ringt
mit
den geruchssorten bei
jeder straßenkreuzung
eine
überraschung, ob ranziges fett, intensiver kaffee,
wünsche
bleiben lüstern.
freizeitverwöhnte
engländer, zusammengewürfelt gekleidet,
nicht
selten in alten châteaus & landhäusern lebend, kaum steuern zahlend,
markig-trockene
sprüche klopfend, fordern kellner heraus;
mißtrauische
beäugungen werden mitserviert.
die
pont valentre trotzt den jahrhunderten, touristenströmen, belagerern
liebespärchen, jugendlichen, tausenden kameras, nichts rückt sie zur seite,
nicht
einmal der fluß, treibende baumstämme, es bleiben schrammen, abwetzungen, zeit-geschliffenes,
spuren der zeiten, wiederhallend im tour de diable.
schauerminuten
in engsten gassen, illot fouillac, doch nicht lang genug,
für
einen mensch mit großen schritten sind es kurze minuten
zum
lichtstrahl bei der kathedrale, den massen am markt, den strömen
getriebener
courmets, die selten ein klares ziel haben, die händler hingegen schon.
mit
dem knarren einer massiven holztür in st. etienne, seitlich des altars,
eintritt
in eine andere welt,
stille im klosterhof,
schlafende
katzen, leise kuschelnde vogelpaare, bröckelndes gestein, tonlose
weltschmerzschreie
aber keine fallenden blätter
die fängt der wind
im
angesicht affiger masken
fühlt
man sich beobachtet, sonnenstrahlen bringen sie zum lachen oder weinen,
eine
wolke erteilt grimmige mimiken.
nach
den umrundungen,
sehnsucht
nach menschenleeren ecken,
oberhalb
der stadt, direkt am jacobsweg,
bei
schlechterem wetter,
out
of season,
wachen
zwei bänke überm tal,
frei
wird der blick auf eine modellbaustadt mit halbinsel & ameisen.
ein
pilgerpärchen weckt die kamera.
balkonsicht
sieht
man den revierkater,
einen weißen, tauben,
trittsicheren schleicher,
über ihm, furchtlose elstern,
ihre schnäbel voller gefieder
& eierschalen -
lachen sie ihn an – nie aus,
erfasst
einen freitheit.
ein
igel trinkt gelassen den tag hinweg,
spatzen
führen haushaltsstreitigkeiten bis
tief in den abend hinein
hört
man neue besucher quasseln, grölen, selten flüstern.
grölbande,
ihr! bierkästen als zaunersatz,
egoismus
als genuine instanz,
alkohol
als behauptungswille.
zum
glück sind die streifen ausgelastet.
espresso-bar italia
in
die jahre gekommene wörterbücher thronen begrüßend
grün
& gelb spiegeln sich gläsersorten in blitzblanken gesichtern,
mazedonier
neben slowaken,
fußball
gegen politik,
gequatsche
oder diskussion.
typenschläue,
rauchzeichen mit kaltem hauch
vermischt
verschwinden
gäste mit dem schlag
der turmuhr
takten
gespräche, schließen sich taschen, aktenkoffer, bunte schulmäppchen.
kunst
mit kaffee, in mitgebrachte bücher getunkt,
zieht
augenpaare an, perlen vor die säue geworfen,
verzogene
mundwinkel, blöde grinsereien,
niemals
von auswärtigen, kunstpilgern.
alt
ist das haus des besitzers,
vor urzeiten handelte man mit obst, gemüse
hantiert der jetzige
mieter auch sein haus trotzt den zeiten,
den
umliegenden italienischen bergen
konnte ich zeichnend begegnen,
entlang
der stadtmauer von belluno, vor der schönen rathausuhr suchte ich
nellos
kindheitsspuren, in den ausgetretenen rillen, versanken meine bunten schuhe,
rot,
gelb, grün, zur verwunderung aller skizzierte ich in der mittagspause.
nun
hängt ein stück heimat, auf papier, im rahmen gebettet
begrüßt
es gäste,
ein
durchgang weiter, eine hobbykollegin en miniature, damit
der
neid seinen anteil behält.
cul de paris
pariser
hintern, schon lange nicht mehr
nur auf alten ölschinken, couachen, zeichnungen
zu
sehen, eine kopfdrehung reicht aus,
in einem dorf, einer fußgängerzone, schlanken gasse,
tänzeln
pferdeärsche wie auf einer bühne,
nicht selten pubertäre
gestalten, ausgewatscht
von
schlachtrössern ohne reiter & stallburschen,
fressen sie alles in sich hinein,
konsumenten
ohne stil & tadel.
brüllende
weisheitsgebote, bizarre vornamen ähneln soap operas, big brothers tv,
mit
der erziehung betreten sie schlachtfelder & bunker, ihre erkennungsmarken
vergraben sie in babyklappen, mülltonnen, schächte.
polternde
modeschöpfer,
nur
esel.
weinberg
von
menschenhand erbaute
türme
aus muschelkalkplatten,
thronend
am höchsten punkt,
der
erste versuch
konnte
den winden nicht standhalten,
vielleicht
ein tiefflieger, ungeduldiges kind.
dem
reichtsten weinbauer,
gehört
die größte hütte wem sonst
sollte
man sie zuordnen, bedenkt man das dilettantisch geschnitzte wappen
am giebel,
denkt
man an einen bettler.
vor
jahren erschienen mir steilhänge leichter einnehmbar,
der
boden weicher, schnecken langsamer, furchen überwindbarer,
jetzt
bin ich dankbar geworden,
gehe
mit dem wind,
während
die augen ruhn.
ganz
weit hinten,
höre
ich süß! sauer!
&
das rasche falten von plastiktüten
verschlingt
die ruhe.
pariser lüftung
massenweise
falten, keine ruhepunkt erkennbar,
schwarz
in schwarz gehüllt,
so
manche form & schönheit verbergend, funkelnde augenpaare,
glitzernde
mobiltelefone.
vereinzelte
strassenzüge fliehen vor der zeit,
autos,
werbeschilder, uhren, geräusche,
nichts als deplazierte dinge –
ausserhalb traditionen –
spricht
man nicht hinter vorhängen.
plötzlich
vollziehen sich lüftungen mit weißen fäusten,
klageschreie
hallen, übertönen den verkehr,
ampeln
bleiben auf rot, polizisten schwingen ihre ungelenken arme,
rotierende verzweiflung & wut dirigieren
gesetze,
jagen
das burkaverbot in sackgassen.
ruhe
schlummert in männern, gekauert an mauern,
in
kiosken, hinter zeitungen, glasscheiben, cafés,
blinzeln
zweifel risse in fundamente.
wer
hört schon das bröckeln, wenigstens das knistern,
das
zum ohrenbetäubenden begleiter wurde?
nichts
hört ihr! nichts!
nicht
einmal berieselnde nachrichten, monotone meldungen,
wie
verkehrsstaus schlängeln sie sich durch gehörgänge,
nisten
sich in paläste ein, wandeln auf roten treppichen,
ignorieren
hofknickse & champagnerfahnen.
ein
langer marsch,
massenweise
falten,
schwarz in schwarz gehüllt,
wartend,
ungeduldig vor einer ampel,
die
nur mittig blinkt.
venice beach
fruchtbarkeitssymbole
im müllgeschwängerten sand,
liebesgondeln
mit luxuspferdestärken im top-designer-outfit,
vieles
treibt sich brüstend umher.
statt
hungriger weiblichkeit dominieren satte muskelberge in stöckelschuhen,
fersen
wie schwerabgearbeitete eselshufen, gesichter aus der horrorshow -
zu
oft von anabolen steroiden gestreichelt.
muscle
beach - mit testosteron geschwängerter luft,
du
blauäugiger strandabschnitt des pobackenpolierten schönheitswahns,
lass
mich eintauchen in die fotogene geilheit minderwertigkeitsbeschränkter
muskelfüßler
& deren körpermaroden fanclubs.
irgendwo,
zwischen götterlosen streunern, sitzen künstler herum,
sinnierend über die anfangsjahre ihrer
freien kolonie, ihres gottfreien areals,
mastubierenden gewohnheitsabschnitts.
nur wenige bemerken sie, auf der suche nach
unikatverformten andenken
landen sie in sportgeschäften, parfümbuden,
ausrangierten souvenirecken.
auch
christa wolf flanierte dort mit einem sich nach abwechslung sehnenden blick,
katzenaugen
im stipendiatengewand, auf stoffjagd.
bukarester
skizze (I)
kilometerlange
kabelstränge,
sich
windend, wie schwarze nattern
um
schiefe strommaste,
sinnbild
für gleichgültigkeit & willkür.
der
mensch zählt nichts,
gedankenlos
überrollt,
wie
eine ameise –
kommt
man sich vor,
auf dem
schafott funkelnder flachbildschirme,
lassen
sie sich betäuben,
bis
die erschöpfte narkose den nächsten tagesanbruch
um
gnade bittet.
bukarester
skizze (II)
stillgelegte
autowracks, vereinzelt durchsiebt,
im schatten kolossaler
prachtbauten,
sammeln
sich schwerbewaffnete ,
ihre
steinernen mienen sprengen fotolinsen & fassaden entzwei.
trillerpfeifen
wild agierender verkehrspolizisten,
überreden
sinne & ohren zu einem fußballspiel,
die regeln: unfair & stark begrenzt,
dies
schert beinamputierte kinder,
entstellte gesichter –
zwischen
idiotisch rasenden unterwegs -
einen scheißdreck,
für
sie zählen zwei wasserflaschen,
dunkelbraun
oder klar, man hat die wahl
sie
zu ignorieren, abzuhauen oder zu bezahlen.
an
vielen ecken knistert der luxus,
daran
knuspern können wenige,
hungerstreiks mit weißen leichentüchern,
schwarz-rot bedruckt, niemandsland in einer
hölle
aus gold & pech.
bukarester
skizze (III)
namen,
in
bronze gehöht,
aneinandergereiht,
aufgebahrt,
am
platz der gefallenen,
sah
man sie damals übereinander liegen,
mit
aufgerissenen augen & todeskampfgeballten fäusten,
rannten
sie gegen stählerne wächter an, blumen in ihren händen.
an
der spitze des weißen obelisk,
thront
eine mit patina überwucherte dornenkrone,
nichts
fürs offene auge – kein durchschlüpfen,
der
martialische kreisbogen ist hermetisch,
wird
es bleiben.
zwei
koreaner überdehnen perspektiven,
bis
diese lächelnd zum bus flanieren,
währenddessen
tanzen schlagstöcke
in
vollendeter kreisform.
bukarester
skizze (IV)
aus
den augenwinkeln,
auf
einem besprühten plakat,
herta
müller,
mit
bluttränenden augen,
wie
draculas braut,
scherz
oder die grausame wahrheit?
nicht
alle sind saturiert, blind & vergesslich,
glauben
erdachte verhaftungen, peinigungen,
(„ohne haftbefehl gehe sie nicht mit“)
geschehen,
vor einem bahnhof, der nie existierte.
(verhöhnung aller opfer)
gekläffe
eitler zukunft,
im schattenwurf einer
orthodoxen kirche,
40
derselben plakate,
eine
blutrote phalanx,
reinweiß.
bukarester
skizze (V)
mit
einem sturm kommend – sirenengehäul,
eine
polizeieskorte, blitzblank geputze maschinen,
schwarze
karossen,
aneinandergekettete
särge,
gleitend
unter dem triumphbogen.
der
verkehr ruht,
ein
soeben gestoppter film,
erstarrt,
wilde & egomanen,
ihre
gesichter im weichzeichner verborgen.
nach
einem schrillen pfeifen – inhalierter luftsog,
stürmen
pferdegestärkte hunnen los.
über
die steppe hinweg heulen wölfe smogartige rudel herbei.
bukarester
szene (VI)
strassen,
wie ausgehöhlte prärien,
ein
reitervolk der moderne
dem tod voraus
balanceieren
entstellte kinder
auf edlen motorhaupen.
selbstgebastelte
vehikel,
müllbergen
entronnen,
vollbringen
wagemutige überfahrten à la charon.
aufgrund
unzähliger fressbuden,
24-stunden-überbevölkert,
scheint
der tag zeitlos hinzuschmelzen.
unbeeindruckt,
auf einem flohmarkt,
wuchern
gebräunte klassiker.
in
beinahe tadellosem deutsch
erklingen echtheit & qualität.
unter einer eiche
vom
dicksten zum dünnsten,
selbst
die zweige mit hierarchien bestückt –
notwendigkeit
einer ausgewogenen statik.
darüber
hinweg dröhnen triebwerke mit überschall,
aufwirbelnde
erde bedeckt eine zypressenphalanx,
kein
aufbäumen, krummbuckeln, fallendes geäst.
manche
menschen sind wie eichen,
andere
wie schwächeres geäst,
der
rest wirbelt viel staub auf.
der alte, weise
raucher
(für
h.s. – dennoch mit respekt)
in
jungen jahren folgte er uniformiertem gehorsam,
mutige
nahmen ihm bei show-prozessen
die
sicht auf den brüllenden richter,
er
schwieg, dachte vielleicht über sein gewissen nach,
nachdem
die verurteilten an ihm vorbeigingen,
gitter,
tod, gott & teufel vor augen.
nach
schutt & asche trat ein phönix in erscheinung,
schrieb
sichs auf seine innere brust - frei von aller schuld,
sprach
für andere im namen neuer ordnungen,
bis
sie ihn treppe für treppe aufsteigen ließen -
ohne
geländer.
nach
der großen flut & hoffnung, erwachte die gewalt,
schrie
& wütete um sich, biss sich fest ins fleisch des nimmersatten staates,
forderte
vom hofierten, gut situierten raucher, freie, gesprengte ketten –
ohne
schall & rauch –
seine
gegner & neider gönnten sich kaum schlaf,
intrigierten,
marschierten, protegierten…
plötzlich
brannte des rauchers dach,
wegen
einer fahrlässig weggeworfenen zigarette?
brandstifter
waren am werk,
sie
zündeln bis heute – weltweit.
des
rauchers weise gedanken & mahnende, erinnernde stimme,
erheben
sich dennoch,
bevor
einmal mehr der blaue dunst dazwischenfunkt.
gartenblick
der
nachbarn entflammte kirschblüten,
trampelnd
auf frisiertem golfrasen,
pflanzenreihungen
mit meterstab,
glitzernde
dekorationen,
in
sich verdreht wie eine ballerina,
entzaubern
mentalitäten.
besessen,
tag für tag,
eins
mit dem garten,
entzweit
mit den nachbarn,
pfeifen
die vögel ringsum,
nun
ostereier & gestecke,
gesprenkelter
farbenkasten,
südfranzösischer
neid,
könnte
aufblühen,
inmitten
kroatischer gespräche,
denkt
man fern sich weg,
fühlt
einem exilanten gleich,
fremdgestimmte
angepasstheit.
zu besuch bei einer
alten dame
weit
vor dem überwucherten parkplatz,
wegweisender
küchengeruch,
den
blähungen nahe, der galle entschlüpft,
orchestrale
töpfe- & eingefleischte pfannenklänge,
schmarotzende
katzen & kater – darunter ein einauge,
jede
nische, ritze, abbröckelnder putz,
eine
dankbare ablenkung wert.
man
kreiert sich den pförtner, herr oder dame?
beäugend,
verschwommen & mit milch überschüttet,
bildnis
eines francis bacon im endstadium,
schleicht
zögernd vorbei,
tritt
auf knarrendes, gebogenes holz,
hinterrücks
krächzend, eine stimme,
erblickend
ein holzkreuz – über dem herz,
ist
gut, nur zu, nur zu!
fürstliches
treppenhaus, barockes geprotze,
putten
mit gestutzten flügeln, dem absturz nahe,
die
leiden jesu ist x-fachen variationen,
schreie,
gejammer, gebrabbel,
leises
reden, verstecktes flüstern,
schiefe
namen, vergilbte zahlen,
überschäumende
milch, unzählige tassen,
mit
langen schnäbeln,
sammeln
der federn, manchmal ein streicheln.
weit
entrückt,
im
rechten winkel eines türrahmens,
lugt
ein waches auge, erstrahlt,
müde
glieder beginnen den kampf,
mutiger
aufstand, rostiges räderwerk
des
lebens.
kroatenhügel
nennen
einheimische den berg,
auf
dem ich wohne – nahe des waldrands –
lauschen
einander buntes gefieder,
welch
nest ich baute oder kaufte,
den
pflanzen ists egal, blumen & kräuter
hoffnung
auf lebensdauer, innige pflegeeinheiten
ihrer
stolzen besitzer, beschützer.
nun
spüre ich, wie minderheiten sich fühlen,
mein
brustkorp blüht auf, mein gang wirkt aufrecht,
gebuckelt
wird unten in der stadt, wo man sich besser kennt,
zu
kennen glaubt, weil der glaube berge versetzen soll,
aber
bereits an einem hügel scheitert.
waldstück I
den
unruhigen punktierungen der sonne nach,
lichtspiele euphorischer augenblicke,
optimistische & pessimistische masken,
vorwärts
tastend unter sich verbeugenden bäumen,
perspektiven
aus dem weg räumend,
erdachtes skizzenbuch, ast als stift,
überlagernde liniengeflechte in bewegung,
meister wind, schüler sturm, diebischer
hauch,
den
wegzeichen der schatten nach.
waldstück II
wer
die einsamkeit ruft,
ist
hier verloren, erfriert an einer lichtung.
weit
draußen begrub sich die saat,
darüber
kreisend, schwingen des hungers,
stehend
in der luft, ein alter wunsch kommt auf,
dabei
überlebt man auf der erde schwer.
eine
kreuzung fordert den kompass,
klopfruf
eines spechts, uneiniges gezwitscher,
summen
& brummen, säuseln & mäuseln,
drehungen
brachten nur schwindelgefühl.
der
körper speichert steigungen, atemblicke,
schnellfang
ohne gerüche, aufspringendes wild,
flügelschlag,
raschelrennen, bodenwuchs,
am
schluss siegt die stille,
gegen
mörderisches sägen.
waldstück III
abgase
nahe der bäume, zeugen von faulheit,
zigarettenstummel
von freiheitlichen gedanken,
rechtloses
land, denkt manch einer,
überhandhandeln
erlaubt, denken andere.
landwirte
sind oftmals die klügsten, sofern ihnen gesetze einleuchten.
alte
stämme tragen kriegsbemalungen,
farben
bestimmen ihre lebensuhr, todesreiche,
viele
wandern aus, reisen wieder ein,
stehen
in büros, stuben, schulen…
als
wüßten sie´s, hörte ihr schmerzensknorzen,
legte
meine ohren an ihre faltige haut, letzte atemzüge,
vom
wind geschluckt, der sie der sonne reicht.
waldstück IV
anordnungen
wie bei einem ausverkauf,
der
seelen geringer raumbedarf,
liegt
brach – einem schlachtfeld ähnlich
drängen
sich bilder auf,
unter
berücksichtigung forstwirtschaftlicher notwendigkeiten,
zum
schutz der menschen,
muß
das alter geräuschvoll scheiden.
junger
elan wuchernd über mechanischen spuren – die meinen bleiben unsichtbar,
richten
sich mit ästen, blättern, gestrüpp kurz auf.
eldorado
wankender gerüche, unendliche winkel des lichts,
kletternd
entlang eines individuellen hochsitzes,
herumsprühende
freude eines handwerkenden,
schmilzt
ein wetterbejahrtes tarnnetz,
muffiger
kunststoff, arglist der täuschung.
auf
schaumstoff sitzt`s sichs gut.
hohenloher land (I)
so
verschwiegen die menschen hier anfangs sind,
so
geschwätzig können steinerne madonnen sein –
eingebettet
in einen brombeerstrauch,
fabulierend
über heilige weisheiten.
erdnahe
linienführungen winken dem zeichner
achterbahnen,
gewaltkurviges schattensausen,
zum
gespött der sonne.
einsiedlerspuren
wie blätter am boden,
pilgerreste
ohne abfallspuren,
quellen
versiegen - erhellen
fenster
zu einer schlucht.
freudengeschrei
entschlüpft einem reißenden fluß,
als
wolle es fliehen, den menschenscheuen umarmen.
kanujagden,
wilder entenmarsch, der vor einem kloster innehält.
von
einer anhöhe, grüßend, ein steifer arm, einige winken zurück,
andere
lachen darüber.
land
der gluckenden madonnen, bunten freizeittklamotten,
im
einklang mit barocken kirchenorgeln – rußschwarz umlodert -
schlafwandeln
melodietraumatisierte in modern-klassischen cafés,
auf
das es doppelt schmackhaft mundet,
zwischen
kauderwelschem gebrabbel, altklugen weisheiten, finanzwitzen.
ich
lache & winke.
hohenloher land (II)
zwischen
immerwährender weiblichkeit –
lieblichkeit
saftiggrüner hügel & ebenen thronend,
erheben
sich selbstprotzend immune götter der industrie,
entwachsen
ehemaligen liebensbedürftigen feldern,
stinkenden
dörfern, dunklen gassen,
steinen
& dickköpfigem rückgrat rückenkehrend,
im unablässigen schweiße des buckligen
fleißes,
mannigfaltigen einfallsreichtums,
ersetzen
sie volksgefräßige raub- & ritternester, burgen, festungen,
in
denen grafen, samen für samen, dekorierte nachkommen in parteiämter pflanzen,
wo
sie stolz hofiert werden, man ihnen koffer trägt, ausserhalb roter teppiche,
langen
geheimgängen, katakomben der frevelhaften vergehen folgend,
vorbei
an behörden & gesetze der jetztzeit,
kreuzen
sich drei streitäxte wie ungleiche brüder, wo man hinsieht, symbole der macht, unterdrückung,
eingefleischten wirtschaft, blaublütigen gehorsams,
bis
in den tod & darüber hinaus - kein pardon - ist ihnen der schutz vor
strafen sicher.
hohenloher land
(III)
tief
eingraben möchtest du deine hände
in das herz des
bodens,
deine
liebe bekunden, zurückschlagende äste & erdschwingen umarmen,
ihre
widerspenstigkeit enthaupten, mit einem regenschirm, der beiwerk nur
sein
kann, nicht altersstütze, jeden tropfen verzweiflung auffangen,
sammeln
wie ein durstiger, empfangen wie ein apostel, der seine
großen
hände über deinem haupt ausbreitet, dir den segen verweigert,
da
du seine konturen überzeichnet hast, deiner eruptiv-expressiven besessenheit
freien lauf ließest, unbelehrbar, nicht mehr erziehungsbereit, blicke
ignorierend,
sie
weit weg wünschend, rausgerissen von der wurzeln kraft, folgen deine haftenden
schritte einer unvernunft der motorik, die dich lähmt, wie in einem tagtraum
schleichen läßt, alle geräusche absorbiert, bis zur stillen verzweiflung, die
weder zeichenblock, sonnenbrille noch regenschirm verbergen können.
so
wanderst du nur von tag zu tag.
darüber
hinaus wagst du nicht zu denken.
ruinenkinder
(all
den kindern zwischen krieg & leid gewidmet)
zwölf
lebensjahre sprechen aus traurig-wachsamen augen,
sehe
ein kind, höre einen erwachsenen ein gedicht über krieg & leid sprechen,
ein
zarter, ernsthafter, fragiler körper, mit narben aus zehn leben,
der
seinen besten freund aus der todeszone der heckenschützen schleppte
- weil keine leinentücher ihn
schützen konnten, da sie tote bedeckten -
ihn
verbluten sah, dieses blut mit seinem hass mischte.
schreiend
in ein mikrofon, stehend auf einer ladefläche,
die
todbringenden geschossen als lafette dient.
sein
gedicht zerbricht an den ruinen, zerfällt in köpfe, hallt in einer moschee,
klettert
auf barrikaden, frißt sich in eine flagge,
gelangt
in maschinengewehrläufe,
fegt
als mörderischer sturm zu den leibern der feinde.
kreislauf
des hasses, radius des todes.
feuerpause,
spielstunde, kletternde abenteuer unterhalb eines unversehrten
kronleuchters,
irreführendes,
irreales symbol, bizarre szenerien,
dampfender
tee, weihrauch, dreibeinig jonglierend - mit steiniger prothese,
ritual
trügerischer ruhe, eingebettet in staub, geröll, kadavergeruch,
abgründe
geliehender hoffnungen, scharfkantig bewacht.
(erinnerung an eine alte fotografie
der stadt caen, mutter & tochter,
nach dem bombardement der befreier,
freistehend in ihrer wohnung,
blickend auf einen kronleuchter; einzig
die kathedrale wurde verschont,
weil ein junger mann blutige
leinentücher in kreuzform auslegte.
kreislauf der kriege, radius der
unvernunft).
weise
spricht der junge, getragen von verbundenen männerarmen,
lebender
märtyrer, gottesgestalt der unvernunft, schmetterling, nestflüchter,
seiner
kindheit enthauptet, seiner freunde held, allen anderen propagandafigur.
brüllend
weist der motor des jeeps zur front,
dort,
wo keine leinentücher hängen,
durchquerungen
suizid ähneln,
wasser
kostbar ist,
es
eng wird,
für
den
tod.
zwischen feldern
ein riese
(vor ort geschrieben &
unbearbeitet gelassen)
kaum
die erste senke durchquert,
begrüßung
durch einen windriesen.
seine
stumpfe nase riecht den wind,
dreiarmig
rotierend, winkend,
mit
rotem nagellack.
ewigkeit
einer immerwährenden annäherung,
luftikushafte
blicke durchbohren gezwitscher,
meistersegler,
solosänger, energiebündel.
tiefes
vertrauen zum boden,
jeder
schritt auf einem teppich,
jeder
atemzug druck wegnehmend.
der
fuß des riesen mit grünstufen lackiert,
visualisierte
erdnähe, traumhaftes farbenpatent,
von
einem künstler? einem ingenieur?
einer
teamfähigen arbeitsgruppe?
keine
geräusche vernehmbar,
grandiose
stille technischen könnens – heute.
man
sollte sie mögen, ihre ausschwingende präsenz,
ist
beruhigender als die uns unwürdigen bunker tödlichen inhalts,
täglich
aufs neue getauft.
am stadttor
(langenburg)
(vor ort geschrieben &
unbearbeitet gelassen)
vor
dem schlauch historischer fassaden,
wo
licht & schatten rasante spiele treiben,
sonniges
gemüt, hoffnung, depressionen zugange sind,
saisonale
kräfte das überleben sichern,
der
landbarone pracht bürgerlichen geist & egoismus belächelt,
historie,
wappen, meinungen, status höher hängen,
so
wie einst bauern & geknechtete hingen,
als
erdwurm & clown du fühlst,
heute
nur besucher bist, im einklang mit wandernder neugier,
ein
gewöhnlicher kaffee beim überlaufen wunderkräfte erweckt,
siehst
du einem zeichner über seine linke schulter,
brillant-statisch,
präzise, ohne emotionen, von einem jeden geschaffen,
nicht
der ausrutscher einer expression, eines gefühls,
sonderbar,
denkst du, siehst den zeichner ohne hut, in der prallen sonne,
auf
einem knarrenden minischemel, ohne kissen
&
lobst ihn wegen deines respekts.
notizen während
einer lesung
(vor ort geschrieben &
unbearbeitet gelassen)
angesichts
dieser immensen sprachgewalt geballter, wohl sortierter, formulierter,
strukturierter worte, die farbenfrohe bilder vor neid schwarz-weiß erblassen lassen,
angesichts
der charakterfesten spannungen zwischen protagonisten & randfiguren, deren
individuellen züge stimmen, gesten, handlungen wie auf bahnhöfen um sich
versammeln, angesichts prall gefüllter sekunden, die wie stunden & tage fließend
daherwandeln, als seien ihnen uhren fremd, federn gewachsen, die zeit nicht als
solche ein begleiter, vielmehr ein begriff zum ertasten, angesichts des viel
gesagten mit unterhaltsamer manier & raffinesse, sind mir als zusehhörendem
der in sich hineinbrabbelnde, gesenkte kopf, die monotonie der laute, fehlende
sprach-modulation, das anderswo-sein des körpers mit dem jetzt & hier, die kahlen
& statischen todesfarben der kleidung – keineswegs korrespondierend mit dem
farbfacettenspiel der haare - ein greuel, der mich gedanklich schleichend
richtung tür treiben läßt, allein die breite stuhlreihe, der kurze weg,
versuchen gerade diese flüchtenden gedanken an die beine weiterzuleiten.
noch
denken höflichkeit & scham darüber hinweg.
mein
gesenkter blick möchte die rote, edel bedruckte eintrittskarte fragen.
berge & täler
(vor ort geschrieben &
unbearbeitet gelassen)
tage
ergiebiger wanderungen, blicke ins dickicht grüner strömungen & adern,
durchlaufen, wege aus stechendem schotter, widerstandslosem asphalt, tänzelnd -
grasüberwuchert in ferne bilder zukunftsmöglicher abläufe gestolpert. beim
kreisen eines sperbers suchst du trost mit dem leiden deines selbst, erhöhst
wutentbrannt das tempo deines schritts, kontrollierst nur die atmung, weißt um
den unsinn bescheid, siehst das tal & wege, entscheidest dich für einen
rundgang, biegst mehrmals ab, klammerst dich an markanten punkten fest,
erinnerst dich an farbtafeln, zahlen, tote baumstämme, herabgestürzte äste,
aufmüpfiges gestrüpp, hinterhältige wurzeln, minenfelder, die rache des waldes.
der
menschen & maschinen spuren enden nicht, unmengen neuer hochsitze, einer
grenze ähnlich, schmälern die chancen der tiere, überall liegt dir der ausverkauf
des waldes zu füßen, manchmal knieend, glaubst du, dinge zu sehen, über die
andere lachen, dich einweisend behandeln würden, wären nicht phantasie &
kreativität deine freunde, verbündeten, auch wenn sie sich etwas zurückzogen,
so sind sie doch bei dir, umklammern dich, halten dich zurück, vor dem reinen
weiß, dem nichts, der weglosen landschaft, dem blick in den tunnel, abgrund, nicht
aber vor den hügeln mit sitzbänken, uralten einzelgängerischen bäumen, wo
wegkreuze sich ducken, vor deiner ungläubigkeit, deiner skepsis, die die
realität bestätigt.
auf
dem hügel flanieren deine augen, setzen sich auf eine kirchturmspitze, fliegen
wie spiderman durch das dorf, die offenen fenster, ställe, vorbei an zwei
tratschenden frauen, die sich älter kleiden als sie tatsächlich sind, die eine
wiegt einen korb wie ein baby hin & her, fuchtelt mit der hand herum, die
andere, deren halber kopf aus einer dicken strickjacke lugt, nickt permanent,
beide hände in die hüften gestemmt, fest am boden haftend, in gummistiefeln, während
die sonne zunehmend an kraft gewinnt. solche menschen schütteln wegen deines
berufs den kopf, bezweifeln sinn, zweck, hintergrund, berufung, kaufen
stattdessen lieber bratwürste, autos, kleiderschränke, karten für waschanlagen
& dergleichen, ergötzen sich an dingen, denen du kaum vergnügen,
unterhaltung, anregungen abgewinnen kannst. dein flug endet an einem häßlichen
rohbau, größenwahn eines dorf-bewohners, vermutlich ein fan walt disneys
welten, insbesondere der burgen & schösser, bis weit in den himmel hinein
überkitscht, nicht halt machend vor pseudogriechischer architektur, die den
hauseingang belagert, schmücken wäre geschmeichelt. seht her, welch reichtum
mir der wein, grundstücke, erbe, bescherten, nicht aber den stil, herkunft,
genuine veranlagungen verleugnen können.
die
erziehung ist weittragend, unübersehbar, kaum abzulegen, trotz purpurner
gewänder.
beim einem der horchposten
(vor ort geschrieben &
unbearbeitet gelassen)
der
bunker soll stillgelegt worden sein, schon vor jahren zogen die verstrahlten
ab, wurden versetzt, gingen in den ruhestand, den sie vielleicht noch genießen
können.
„vorsicht
schusswaffengebrauch…“, auf poliertem, weißem grund, kein zentimeter rost, kein
schmutz, nur eine fleischfliege, die beinahe den i-punkt tanzen läßt.
mit
dem unkraut verhält es sich wie bei einem gepflegten garten oder hauseingang,
nicht ein grashalm wagt sich durch eine ritze der panzerbetonplatten, die ihr
geld wert sind.
ich
wage mich ans grünegestrichene stahlgitter, gehe entlang des rolltors, hin
& her, spüre eine unruhe, herausforderung, widersinniges verhalten, lasse
dabei keinen augenblick die beiden fenster des wachhäuschens aus den augen,
nichts, keine bewegung, kein mechanisches geräusch, nur unmengen grillen &
der glutofen von über 40 grad, der mich eigentlich in den schattigen wald
treiben sollte, eigentlich, wäre die neugier der menschen nicht fester
bestandteil, so wie die dummheit.
eigentlich
meide ich militärische sperrgebiete, achte auf hinweis- & warnschilder,
begebe mich nicht wissentlich & fahrlässig in gefahr, verhalte mich nicht
konträr.
was
treibt mich heute dazu an? was schaltet meine vernunft aus? eine überge-ordnete
laune, ein vernunftausfall?
was
würde geschehen, wenn ich meine digitalkamera auspacke? eine überwach-ungskamera
sehe ich nicht, was nicht heißt, daß sie mich bereits von der ersten sekunde meines
erscheinens an fokussierte.
mein
blick stolpert über große eisentore, vermutlich garagen, ich muß gerade an
meinen cousin d. denken, der hier einmal vor jahren als feuerwehrmann seinen
dienst heruntersaß, denn viel abwechslung hatten er & seine kameraden
nicht, das weiß ich von seinen schilderungen. hier kontrollgänge, dort fahrten
zu anderen anlagen, stumpfsinnige routine, langeweile, übungen, damit die
gelenke & köpfe nicht völlig erlahmen. nach 2-3 jahren war es ihm zu viel
bzw. zu wenig, er drückte die schulbank, büffelte fleißig & ehrgeizig, ist
nun rettungsassistent bei der berufs-feuerwehr in der stadt des volkswagens.
andere seiner ehemaligen kameraden dösen vielleicht noch immer vor sich hin,
hören grashalme wachsen & die schreie der greifvögel.
was
einem alles durch den kopf geht.
wie
weit die unterirdischen gänge wohl verlaufen, miteinander verbunden sind?
kann
man von hier oben hinunter zum anderen, ebenfalls offiziell stillgelegten
horchposten gehen?
wäre
h. noch am leben, er könnte es mir sagen, h., der seinerzeit beim bau der
großen radaranlage, ca. 5 kilometer luftlinie von mir, als maler &
stukateur mitwirkte,
er,
der sich intensiv mit den historischen ereignissen im main-tauber-kreis &
angrenzenden gebieten beschäftigte, er, der viele exkursionen mit mir unternahm
(damals trug ich noch weiße tennissocken & längere haare), sich durch sein
wissen neben vielen bewunderern auch den ein oder anderen neider schuf,
miterleben mußte, wie ein inzwischen vom krebs besiegter redakteur unter seinem
namen h.`s texte & bilder veröffentlichte, während h. zunehmend einsamer
lebte, mit seinen fuß-zehen, seinen spritzig-pfiffigen humor verlor, sich mehr
& mehr zurückzog, auf die andere straßenseite ging, mich nicht mehr sah,
sehen wollte, verstummte & eines tages tot in seiner wohnung lag, wo man
ihn nach vielen tagen entdeckte, weil der briefkasten & gerüche aus der
wohnung warnsignale entsandten.
was
einem alles durch den kopf geht.
inzwischen
sprang ein hase über ein feld, beäugte mich aus sicherer entfernung, duckte
sich, aber die löffel, die löffel! für jeden jäger ein muß.
ich
bin allein, menschenallein, sofern keine wanderer, landwirte, jäger,
wachschutz-leute…auftauchen, denn kontrollieren & überprüfen werden sie die
anlage sicherlich regelmäßig, sonst wäre nicht alles feinsäuberlich gemäht, die
schlösser nicht so poliert, die unmittelbarkeit von berührungen &
bewegungen spürbar.
nun
ists zu hören, hatte mich schon gewundert, warum ich bisher noch nichts vom
unermüdlichen fleiß der landwirte hörte, der traktor nähert sich schnell, ein
riesen-ding, er biegt zwei felder vor mir ab, der alte landwirt sieht kurz zu
mir hinüber, bleibt stehen, dreht sich nach hinten, betätigt einen hebel, der
einen großen mähapparat ausfährt, läßt ihn ins gras hinab, fährt über die wiese
& wird von der ersten staub-wolke verschluckt.
hochsitze, raffinierte
einfälle & der ausverkauf des waldes
(bei über 35 grad nahe
ingelfingen geschrieben & unbearbeitet gelassen)
von
der vielfältigkeit der hochsitze bin ich schon seit meiner kindheit beeindruckt.
der erste, den ich vorhin sah, bestach durch seine robustheit &
gleichzeitige raffinesse, bei den heutigen temperaturen könnte man 3 der
seitenwände sowie das dach aufklappen bzw. öffnen, an sämtliche wandteile
wurden scharniere befestigt, innenseitig befinden sich kleine holzstäbe, die
man zum abstützen der wände in angeschraubte stützhalterungen einfügen kann,
auf dem sitzbrett ist eine schaum-stoffplatte geklebt, der balken zum auflegen
des gewehrs ist schwenkbar, darunter befindet sich ein kleines regal, daneben
ein loch, durch das eine ca. ein zentimeter dicke, enggeknotete schnur gezogen
wurde, die kreisförmig auf dem hochsitzboden liegt, die wand an dieser seite
ist zweigesteilt, auch sie läßt sich mithilfe von scharniere aufklappen, so daß
man ggfs. schwerere oder sperrige mitbringsel, die man nicht über die leiter
tragen möchte, hoch- & hineinziehen kann. an der tür befindet sich kein
vorhängeschloss. der blick geht rechterhand über mehrere felder, folgt mittig
einer baumgruppe mit kleineren hecken & endet linkerhand am waldrand, wo
ein weg hineinführt, bei den heutigen intensiven lichtverhältnissen & der
sonnenstrahlung kann man dem weg gut 30 meter hinein in den wald folgen. ich
skizzierte alle drei blickrichtungen, würde am liebsten noch etwas verweilen; ob
ein jäger, forstwirt… – sollte er plötzlich auftauchen – meine begeisterung ebenso
teilen möchte?
nun
stehe ich vor einem windschiefen hochsitz der wildesten gegensätze, dünne
stützhölzer & stangen, morsch wirkendes holz, von unkraut & gestrüpp
belagert, herausstehende rostige nägel, ich wage es nicht auch nur einen fuß
auf die leiter zu stellen. vielleicht wurde dieser hochsitz lange nicht
genutzt.
&
all das gestapelte holz, links & rechts der wege, auch hier sieht man die
unter-schiedlichen ansprüche der besitzer, der eine deckt das holz mit einer
folie ab, legt steine zur beschwerde drauf & gut ist, ein anderer stapelt
das holz beinahe fugen-dicht, jedes scheit fügt sich in das andere, wie bei
einer mauer, so daß bereits hierdurch eine gute stabilität erreicht wird. zum
schutz vor nässe dienen wellblech-stücke, darüber sehe ich zwei schichten
dickere folie, eine durchsichtige & als oberste schicht eine hellblaue
darunter, befestigt sind die folien mit allerlei schnüre & stricke, an
denen zusätzlich steine zur beschwerde hängen, sehr geschickt, da stecken ideen
& viel arbeit drin. ich fertigte eine skizze an.
den
sogenannten staatswald bzw. sich in öffentlichem besitz befindenden wald,
erkennt man deutlich an der pflege, der anzahl von sitzbänken, hinweisschildern,
lehrtafeln & ähnlichem.
glockengeläut
der ingelfinger kirche, deren dachspitze ich von hier aus sehen kann, das
spitze dreieck scheint auf einem getreidefeld zu stehen. kreisende krähen,
greifvögel, eine angenehme leichte brise, die stellenweise, je nachdem wie weit
ich mich bei der sonne auf die feldwege wage, windartigen böen nahe kommt.
gerade
fuhr ein teuflisches gefährt der forstwirtschaft an mir vorbei, der junge
fahrer guckte grimmig drein obwohl ich deutlich nickte & rechtzeitig
auswich, mich beinahe in ein gestrüpp drückte, da der weg an dieser stelle
besonders schmal ist. die räder sind größer als ich, der knatternde motor macht
so viel lärm, wie drei bagger. ich höre ein anderes maschinengeräusch, das von
knistern, holzbrechen, raspeln oder dergleichen begleitet wird, vermutlich
handelt es sich um eine „baumrindenschäl-& zerkleinerungsmaschine“, ich
wähle eine weggabelung, um einen möglichen kontakt, eine annäherung an dieses
mich gerade störende ding zu vermeiden, sehen kann ichs nicht, es befindet sich
aber keine 200 meter von mir entfernt, nach menschen & maschinengeräusche
ist mir heute nicht zumute. je mehr sich der weg spreizt, desto leiser werden
die maschinengeräusche, ich atme auf & durch.
links
& rechts des wegs liegen tote bäume, solch lange & dicke eichenstämme
sieht man nicht jeden tag, jeder stamm trägt beschriftungen & stempel, die
wie täto-wirungen wirken, viele werden sicherlich nach übersee exportiert,
vielleicht nach china, indien…manchmal steht ein deutscher name drauf, eine
firma? die unmengen tonnen guter qualität bringen viel geld. oftmals ists so,
daß links die für den export bzw. inländischen verkauf bestimmten bäume für die
abholung lagern & rechts das „schlechtere“ holz, krumm, mit mängeln, schadhaften,
fauligen stellen, von privat-leuten erteigert, als brennholz oder für andere
„zweitklassige“ verwendungen & vorgesehene zwecke gedacht. das brennholz
sägen die privatkäufer, waldbesitzer oder beauftragte gleich ofengerecht,
überall sind stapel zu sehen, deutsche gründlichkeit & disziplin sind auch
hier deutlich sichtbar, manchmal zu viel des guten.
ich
merke, wie meine konzentration nachläßt, obwohl ich eine große wasserflasche
dabei habe, regelmäßig trinke, mußte mich auf eine bank setzen, genieße die
leichte, etwas kühlere brise, den schatten, die gesänge der vögel, knister-
& fallgeräusche von tannenzapfen. rechts von mir flitzt eine maus über den
weg.
der
wald hier ist erstaunlich sauber, kaum ein papierrest eines schokoriegels,
eines bonbons usw., da sah ich schon andere wälder, wo die menschen gedankenlos
müllspuren hinterließen, die bis zu den parkplätzen & weggabelungen
führten, wo zuweilen sogar mülleimer standen. ich würde, sofern ich mal
jemanden dabei beobachten sollte, ihn entweder auffordern seinen müll zu
entfernen oder mir sein kfz-kennzeichen notieren & bei der meldung
erwähnen, daß ich einen zeugen hätte.
vermutlich
würde es nicht viel bringen außer verwaltungsaufwand & ein lächeln der behörden.
mein
auto steht noch im schatten, die sonne umschleicht es, inzwischen muss eine
katze dagewesen sein, auf der motorhaube sind erdige abdrücke, die heute morgen
noch nicht zu sehen waren. einige felder weiter dreht ein landwirt mähend seine
runden, es sind ca. gefühlte 40 grad, ich gehe auf eine schwüle wand zu. laut
wettervorhersage soll es heute nachmittag bzw. abends gewitter geben,
vermutlich wird das taubertal einmal mehr verschont.
Graphiken zum Thema Terror und Gewalt
namentlich zu
Jurek Becker: : Jakob der Lügner
bzw. zu
Bronsteins Kinder
Mehr zum Künstler Michael Blümel
unter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Bl%C3%BCmel
Copyright: Michael Blümel
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