Dieter Michelbach: Rezension von: Carl Gibson: „Allein in der Revolte. Eine Jugend im Banat. Aufzeichnungen eines Andersdenkenden –Selbst erlebte Geschichte und Geschichten aus dem Securitate-Staat“, Gastbeitrag
Allein in
der Revolte – Memoiren eines Andersdenkenden im Securitate-Staat
Von Dieter
Michelbach
Der
zweite Band der Autobiographie des im Banater Sackelhausen aufgewachsenen Carl
Gibson (*1959) trägt den Titel „Allein in
der Revolte“.
Ebenso
wie im ersten Teil „Symphonie der
Freiheit“ politisiert und polarisiert der in Bad Mergentheim u.a. als Journalist
und Schriftsteller tätige Gibson mit seinen Erfahrungen als Bürgerrechtler und
Gewerkschaftsgründer („Freie Gewerkschaft
rumänischer Werktätiger“ – in rumänischer Sprache „Sindicatul liber al oamenilor muncii din Romania“, abgekürzt: SLOMR)
in seinem zweiten Memoiren-Band die Lebenssituation im kommunistischen Ceausescu-Rumänien
verpackt als zeitspezifische Kultur- und Gesellschaftskritik.
„Mit den
Verbrechen des braunen Diktators hatte ich genau so wenig zu tun wie die
kommunistischen Utopisten meines Umfelds mit den Gräueln des roten aus dem
Kreml. Statt meine Energien gegen die eigene Identität’ einzusetzen,
konzentrierte ich mich auf die Bekämpfung der kommunistischen Ideologie und
Gesellschaft, die mir in ihrem Wesen heuchlerisch und vielfach verlogen
erschien.“ Gibson beschreibt in seinen Aufzeichnungen seine Entwicklung als
Kritiker der „kommunistisch-atheistischen
Weltanschauung“ im Gegensatz zu seinem Sackelhausener Freund und Gesprächspartner Gerhard Ortinau,
den er „als modern abstrakte[n],
avantgardistische[n] Lyriker mit eindeutig linker Gesinnung, als „Marxisten“,
geistig den rebellierenden
Achtundsechzigern in der Bundesrepublik verbunden“ charakterisiert. Gibson registriert: „Das 68ger-Modell mit „Macht kaputt, was euch kaputtmacht“, wurde von jener kleinen
,Elite’ auch im Banat nachvollzogen, nur in Absetzung von der konservativen
Mehrheit der Donauschwaben und in eklatanter Verkennung deswahren Feindes.“
Gibson
kritisiert – wie er sie nennt – insbesondere die „Mitläufer, Systemprofiteure und Opportunisten“ und fährt unter
dieser Überschrift fort: „Der tatsächliche
Feind, das mussten sie alle viel später [...] anerkennen, selbst Genosse Richard
Wagner und Herta Müller, lauerte nicht in den deutschen Gassen des Banater
Dorfes, nicht in den Hütten der entrechteten und stigmatisierten, sondern in den
morbiden Palästen der Kommunisten in der Großstadt. [...] Viele „Genossen’ glaubten noch lange an das
Eiapopeia aus dem Bolschewikenhimmel und sie hofften noch lange darauf, obwohl
die Wüste wuchs – mit Gulag und KZ vor der Haustür.“
Gibson
bekennt: „Für mich war und blieb die „Kommunistische Partei Rumäniens’ unter
der Führung von Präsident Ceausescu von Anfang an ein ,rotes Tuch’, weil sie ein totalitäres Machtinstrument war.
Trotzdem wurde die RKP noch im Herbst 1984, als das bitter verarmte Land vor
dem ökonomischen Exitus stand, von der angehenden Schriftstellerin Herta
Müller, von ihrem damaligen Gatten Richard Wagner und anderen aus der
ehemaligen Aktionsgruppe als legitime ,Führungskraft im Staat’ anerkannt.
[...]
Das wird
heute unter den Tisch gekehrt. Und wer es hervor holt, dem droht man mit
Anwälten und Gericht oder rückt ihn in die Nähe von ,Securitate-'Machenschaften,
obwohl bekannt ist, dass andere mit dem Einsatz ihres Lebens den Unrechtstaat
bekämpften und im Gefängnis litten, statt privilegiert in den Westen zu reisen
wie Müller und Wagner, sogar dann noch, 1985, als ihr großer Mentor und KP-Mann
sich ,abgesetzt’ hatte.“
Gibson,
der selbst als politischer Häftling in Rumänien eingesperrt war, stellt sich
die Frage zur Aufarbeitung einiger Akteure aus jener Zeit: „Weshalb schwiegen einige, während andere aus den linken Reihen in eine
,neue Identität’ schlüpften und sogar noch Karriere als ,Widerständler’
machten?“
Gibson
schlussfolgert: „Im Gegensatz zu Gerhard
[Ortinau] blieben andere überzeugte Marxisten aus der Aktionsgruppe Banat und
dem ,Adam-Müller-Guttenbrunn-Kreis’der rumänischen
Kommunistischen Partei treu [...] unter ihnen Genosse Richard Wagner, Poet,
ideologischer Vordenker und Literaturmanager, ferner Dramaturg Johann Lippet
sowie Kulturredakteur und AMG-Kreis-Sekretär Horst Samson.
Noch im Jahr
1984, nach der Flucht von Übervater und Mentor Nikolaus Berwangers in die Bundesrepublik,
standen sie zur Partei – in “loyaler
Kritik’ zwar, [...] doch ohne sie als solche, sprich als autoritäre, ja
totalitäre Machtstruktur infrage zu stellen.“
Gibson
benennt – aus seiner Perspektive namentlich folgende „Akteure“
„Zusammen
mit Herta Müller hatten sie der RK Partei schließlich einiges zu verdanken: Ihr
Werdegang als Dichter war von den Kommunisten gutgeheißen und gefördert worden.
Wagner, Müller und Samson hatten jeweils den Förderpreis der Jungkommunisten (UTC)
erhalten; darüber hinaus auch noch den Debütpreis des kommunistisch ausgerichteten,
linientreuen Rumänischen Schriftstellerverbandes, den weder Wagner noch Müller
verschmähten. Herta Müller wurde von den Kommunisten gerade für ,Niederungen’ ausgezeichnet, also für
ihre Totenrede auf die Wertewelt des deutschen Banats. Die stark stilisierten
Lebensläufe von heute – gerade die unvollständige Vita von Herta Müller –
verschweigen gerne jenes Mitläufertum von vorgestern.“
Gibsons
Schlussfolgerung zu dieser Situation setzt sich wie folgt zusammen:
„,Die
Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei! Das war doch nicht so schlimm!’ so argumentieren die Akteure heute
– und einige blauäugige Literaturwissenschaftler, darunter auch Karrieristen mit dem Segen der Partei, pflichten ihnen
noch bei. Unbequemes und Unpassendes wird
einfach ignoriert [...]. Wer spricht schon
gern von fernen ,Jugendsünden’, von falschen Wegen und vom moralischen Versagen, wo doch auch der erhebende
,Widerstand’ betont werden kann – vor allem
mit der unendlich oft gehörten, abgedroschenen und nichtssagenden Floskel Herta Müllers, die ,Zusammenarbeit mit dem
rumänischen Geheimdienst ,Securitate’ verweigert’
zu haben.
Selbst
mancher deutschstämmige Dozent, der die inneren Verhältnisse einer Diktatur gut kennt, der
aber unter den Kommunisten am Sessel klebte
und aus Angst vor der ,Securitate’ nicht gerade auf den vordersten Barrikaden
kämpfte, entwickelt heute viel
Verständnis für gesellschaftliches Duckmäusertum und politische Feigheit, ohne in den so zahlreich geführten Interviews
entlarvende Fragen zu stellen [...] –
und ohne zu bedenken, dass jeder, der die Schuldigen deckt, mitschuldig wird.
Politische
Bücher über die Zeit der Diktatur in Rumänien, sollten womöglich ohne „weltanschaulichen Ballast’ geschrieben werden, weil es stört, dass
die Pseudowiderstandskämpfer von gestern
über ein Jahrzehnt hinweg mit den roten
Wölfen heulten’.“
Diese
teils sehr ausführlichen Zitate verdeutlichen Gibsons Gedankengänge zu diesem
Thema, weitere zu anderen rumäniendeutschen Sujets schließen sich ihnen an.
Leider sind im Buchtext auch einige Flüchtigkeitsfehler enthalten. Ein
ausführliches Nachwort zur Entstehung dieser politisch gefärbten Erinnerungsliteratur
Gibsons runden das Buch ab.
Carl
Gibson: „Allein in der Revolte. Eine
Jugend im Banat. Aufzeichnungen eines Andersdenkenden –Selbst erlebte
Geschichte und Geschichten aus dem Securitate-Staat“,
Röll Verlag,
Dettelbach, 409 S., 39,90 Euro, ISBN
978-3-89754-430-7
Hinweis:
Dieter Michelbachs Buch-Besprechung - in ausgewählten Zitaten des 400-Seiten Opus über das Leben im Banat während der kommunistischen Diktatur - wurde dem
Publikations-Organ der Banater Schwaben in Deutschland,
„Banater Post“
im Oktober des Jahres 2013 vorgelegt.
Gedruckt
wurde Michelbachs Rezension nicht.
Die Zeitung
der Landmannschaft
der Banater Schwaben in Deutschland
„Banater Post“
berichtet inzwischen wohlwollend über Herta Müller,
torpediert aber
das realistische Schrifttum des
Kommunismus-Opfers Carl Gibson!
Weshalb?
Carl Gibson aktuell in der Presse
http://www.swp.de/bad_mergentheim/lokales/bad_mergentheim/Carl-Gibson-bezichtigt-Literatur-Nobelpreistraegerin-der-Luege-und-des-Plagiats;art5642,2725468
Werke von Carl Gibson:
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
Soeben erschienen:
Carl Gibson:
Plagiat als Methode - Herta Müllers „konkreative“ Carl Gibson-Rezeption
Wo beginnt das literarische Plagiat? Zur Instrumentalisierung des Dissidenten-Testimoniums „Symphonie der Freiheit“ –
Selbst-Apologie mit kritischen Argumenten, Daten und Fakten zur Kommunismus-Aufarbeitung
sowie mit kommentierten Securitate-Dokumenten zum politischen Widerstand in Rumänien während der Ceaușescu-Diktatur.
Rezeption - Inspiration - Plagiat!?
Herausgegeben vom Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim. Seit dem 18. Juli auf dem Buchmarkt.
399 Seiten.
Publikationen des
Instituts zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa,
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