„Begegnungen“ – Harry Elsner Retrospektive.
Künstlerexistenz Harry Elsner –
Maler aus Leidenschaft:
Leben, Werk und Mission – Versuch
einer Gesamtwürdigung.
Eine „Hinführung“ zu Harry
Elsner
und eine Einführung in sein Malen
Vortrag von Carl Gibson
(gehalten im Januar 2009 in Bad Mergentheim)
(gehalten im Januar 2009 in Bad Mergentheim)
„Wer sich selbst und andre kennt,
wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
Sinnig zwischen beiden Welten,
Sich zu wiegen, lass ich gelten;
Also zwischen Ost und Westen
Sich bewegen, sei’s zum Besten.“
Goethe
Meine sehr
verehrten Damen und Herren,
als ich in
meiner Kindheit gelegentlich im Atelier eines benachbarten Malers herum sprang,
dem Künstler dabei zusehend, wie er – ausgehend von ein paar Strichen – mit
Ölfarben lebensfrohe Gemälde hervorzauberte, lernte ich so nebenbei einiges
über Kunst, über das künstlerische Schaffen und über die Rezeption von Kunst.
Während ich dabei
zusehen durfte, wie eine barocke Madonna aus dem Nichts hervorlachte und der
röhrende Hirsch am Waldessaum seine Herde zusammen rief, fiel mir auf, wie
trefflich ein Bild gelang, wenn der Maler gut gelaunt ans Werk ging und wie
bescheiden es aber wirkte, wenn er malte, weil Hunger und leerer Geldbeutel ihn
dazu trieben.
In diesem
Umfeld wurden auch Künstler-Anekdoten erzählt wie jene, in welcher ein
Briefträger zufällig Pablo Picassos Entwürfe kritisch musternd, naiv
nachfragte, ob der Sprössling des Meisters auch schon zeichne.
Auch kleine
Geschichten wurden im Atelier zum Besten gegeben.
Mit einer
dieser Miniaturen, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich meine knappe
Laudatio auf Harry Elsners Lebenswerk beginnen, da die Künstler-Geschichte rund
um Schein und Sein, Sinnbild und Abbild, Wahrheit und Geheimnis, etwas mit der
Malerei Elsners zu tun hat.
Und weil sie vielleicht sogar
einen „hermeneutischen Schlüssel“ bereithält,
der einzelnen Betrachtern den
Zugang zu Harry Elsners abstrakter Ölmalerei ermöglichen kann.
Die
Geschichte, die mir nach langer Zeit wieder einfiel, als ich über Harry Elsners
Malerei nachdachte, um mir dann nicht mehr aus dem Kopf zu gehen, hörte sich
etwa so an:
Ein
eigenwilliger Kunstfreund trat eines Tages an einen begnadeten Maler heran mit
der Bitte, ihm eine „Grazie“ zu malen, natürlich, in antiker Schönheit
vollendet.
Der
Kunstmaler nahm den Auftrag an und schuf ein Frauenbild, wie man es noch nie
gesehen hatte.
Die
weibliche Schönheit offenbarte sich in nie da gewesener Form.
Nach der
Vollendung kam der Auftraggeber und betrachtete das holde Bildnis mit höchstem
Genuss.
So viel
Wahrheit, Schönheit und Güte hatte er noch nie in einem Werk vereint gesehen.
Ein Ideal-Bild
war entstanden, ein göttliches, ja ein göttergleiches Bild, in letzter
Meisterschaft.
Nachdem er
das Gemälde lange studiert hatte, sagte er zu dem Maler:
Ich bin
entzückt!
Doch malen
Sie mir jetzt einen Schleier über das Ganze,
damit –
neben seinem Schöpfer - nur ich weiß,
was sich
hinter dem Schleier verbirgt!
Der Maler
war zunächst erschüttert.
Das
bedeutendste seiner Meisterwerke sollte er nun mit ein paar profanen Pinselstrichen
vernichten?
Brachte er
es übers Herz, alles zu übermalen, einfach so?
Er überwand
sich aber letztendlich - wie mancher Kunstmaler in unfreier Zeit, der das
ausführte, was ein Mäzen anzuordnen beliebte –
und malte
einen „Schleier“ über alles.
Das
Götterbild, die Inkarnation und Vereinigung des Wahren, Schönen und Guten,
wurde zum entschwundenen Geheimnis.
Das
Göttliche und die damit zusammenhängenden Werte verschwanden hinter einer
weißen Wand, die alles verhüllte und nur noch eine Ahnung von den bestehenden
höheren Dingen zuließ.
Dieser
„Schleier“ ist vielleicht ein Schlüssel auch zu Harry Elsners tiefgründiger Malerei
–
und dieser hier
durchaus nicht ambivalente „Schleier“ ist zugleich auch eine Art Schlüssel zur
Arabischen Welt,
die dem
Maler Elsner so sehr am Herzen liegt.
Nur ist der „Schleier“ nicht ausschließlich da, um „Wahrheit“ oder
Wirklichkeit endgültig zu verbergen,
sondern er ermöglicht überhaupt
erst das Offenlegen und Erkennen der „tieferen Wesenheiten“,
indem wir uns einfühlend in das
präsentierte Sujet vertiefen
und die Wertewelt dahinter in
meditativer Betrachtung erschließen.
Die
christliche Kunst des Abendlandes hat sich über Jahrhundert darauf
konzentriert, Gott darzustellen, indem
der Schmerz des Retters am Kreuz in tausendfachen Variationen bildlich
thematisiert wurde.
In der
moslemischen Welt jedoch setzte sich die Tradition durch,
Gott
überhaupt nicht darstellen zu wollen.
Ebenso im
Judentum.
Gott, das
summum bonum, die Quintessenz und Summe alles Guten, erscheint bestenfalls als
„deus absconditus“, als „verborgene Gottheit“, als ein Gott, der nur geahnt,
aber nie bildlich erfasst werden kann.
Der arabische Künstler, der
zugleich ein ehrfürchtiger Gläubiger ist, verschließt seine Schau, seine
Wesensschau und sein Ahnen Gottes
in Zeichen, in Symbolen, in
Farben
und schafft dadurch eine
malerische Mystik, die den Kunstbetrachter die gleichen Sichtweisen wieder
nachempfinden lässt.
Jeder, der
sich wahrhaftig mit dem Arabischen verbunden in der Malerei Elsners Malerei
auseinandersetzt, wird das erkennen.
Wer Maler,
Tonsetzer, Dichter, Denker, kurz Künstler aller Art besser verstehen will,
wer in ihre
Vorstellungswelt einsteigen will,
und wer
ergründen will,
weshalb sie
gerade diesen Stil pflegen und keinen anderen,
der kann
sich den Künstlerindividualitäten auch „biographisch“ nähern.
Es ist immer
gut zu wissen, woher sie kommen,
was sie
erlebt haben
und weshalb
sie bestimmte Ideen vertreten und künstlerisch umsetzen.
Wenn das
Kunstwerk nicht „absolut gesetzt“ wird als „Art pour l’art“ um nur immanent
interpretiert zu werden,
dann sollten
Künstler immer „aus ihrer Zeit heraus“ verstanden werden – auch wenn sie als
große Individuen „gegen ihre Zeit“ standen oder stehen.
Denn die
Zeit ist es, die auch dieser schöpferischen Gruppe ihren Stempel aufdrückt,
ihre Werke prägt und bestimmt.
Harry Elsner hat nicht immer
expressionistisch-abstrakt gemalt –
da er ein
konzilianter Charakter ist,
ein Mensch
des Ausgleichs und des Kompromisses
und kein
radikaler Rebell in der Kunst,
der Bilder
auf den Kopf stellen muss, um interessant zu wirken –
hat er auch
nicht „nur“ expressionistisch-abstrakt gemalt.
Die Anfänge
Die Anfänge
seiner Malerei führen zurück zu den Wurzeln,
zurück in
schlesische Geburtshaus,
wo er im
zarten Alter erstmals mit einem pittoresken Ambiente, mit Kunst und Malerei
konfrontiert wird.
Wenn der
Impuls stark ist, kreativ tätig zu sein, dann hält er ein Leben lang an – in
der Kunst ebenso wie in anderen schöpferischen Bereichen.
Bei Harry
Elsner war es die Kunst, speziell die Ölmalerei, die ihn früh einnahm,
befruchtete und ihn nie mehr losließ bis zum heutigen Tag, wo seine Gemälde –
wie er sagt – zum „letzten Mal“ einem großen Publikum präsentiert werden.
Wenn der
Abschied naht,
und dieser
vollzieht sich nicht selten freiwillig und auf dem Höhepunkt des Schaffens,
dann wird es
Zeit
innezuhalten
in einer würdigenden Rückschau
um Bilanz zu
ziehen,
nur ohne
endgültig zu werten,
schon gar
nicht in der Domäne der Kunst,
wo alles
relativ ist und oft auch relativ bleibt,
weil sich
Werte wandeln oder Zeitspezifisches und Unzeitgemäßes schwer auseinander zu
halten sind –
in der
modernen Malerei ebenso wie in der musikalischen Komposition oder in der
Poesie.
Aus einer „Grenzsituation“
heraus,
unmittelbar
am Abgrund zum Nichts,
fand Harry
Elsner endgültig zur Malerei:
in der
Zitadelle von Verdun!
Verdun – ein
Schreckenswort – ein Gräberfeld, getränkt von französischem und von deutschem
Blut junger Menschen, die noch – befrachtet mit expressionistischer Literatur
und falschen Idealen – enthusiastisch in einen großen Vernichtungskrieg gezogen
waren.
Was war das
Ende vom Lied?
Millionen
Gefallene,
verendet in
Schützengräben, in Stacheldraht, zu Tode gebracht von Vernichtungsgeschossen
immer grausamer werdender Waffen, erstickt im Giftgas,
kurz
Opfer von
falschen Visionen und einer noch falscheren Politik der nationalen Rivalität, des
Völker-Hasses, der Spaltung und Vernichtung.
Als Folge
des Ersten Weltkriegs zerfielen gleich zwei große Reiche im Herzen Europas,
das von
Fürst Otto von Bismarck geschaffene Wilhelminische Reich
und das
einst übermächtige Reich der Habsburger,
die
Doppelmonarchie Österreich-Ungarn
mit
Auswirkungen auf Millionen Bürger in Nord und Süd, Ost und West.
Der Vertrag
von Versailles schuf neue geopolitische Verhältnisse.
Er
ermöglichte Hitler und führte zu einem neuen, noch verheerenderen Weltenbrand.
Harry
Elsner, 1926 in Oberschlesien geboren,
war ein Teil
der bewegten Geschichte –
und er wurde
durch ihren turbulenten Gang mit determiniert.
Doch hatte
er sich seine Stellung nicht ausgesucht.
Das
Vaterland, sprich die Kriegsherren des Dritten Reiches,
versetzten
den in preußischer Pflichtethik erzogenen und auf den Führer vereidigten
Wehrmachtssoldaten an die Front.
Elsner hatte
Glück und überlebte das Grauen,
wenn auch in
Gefangenschaft
auf dem wohl
blutgetränktesten Boden der Welt.
Rot wurde zur Leitfarbe,
zur Signalfarbe,
zum Fanal.
Vom
Schicksal begünstigt, war der Geläuterte bereit,
die
Konsequenzen aus zwei Vernichtungskriegen zu ziehen,
die das
Antlitz Europas entstellt hatten.
Harry Elsner
antworte damals in der Zitatdelle von Verdun –
teils
intuitiv, teils aus der Erfahrung zweier Kriege heraus
mit einer
geistigen Haltung, die zugleich hoch politisch war
und die sich
über das Medium Kunst artikulierte.
Er, der
angehende Künstler, antwortete mit einer Botschaft,
mit einer
Mission:
Geschichte, Politik, Geist und
Kunst - in symphonischer Versöhnung
Aus diesen Bereichen
formte Harry Elsner eine Lebensaufgabe,
ein stets
neu sich entwerfendes Ziel,
an dem er über
die Kunst bis in diese Retrospektive hinein festgehalten hat:
Begegnungen schaffen,
Menschen zusammenbringen,
versöhnen,
interkulturell wirken,
das sind
Wesenselemente,
die Harry
Elsner mit seiner Kunst zum Durchbruch verhalfen –
im einfachen
Zelt in der arabischen Wüste ebenso
wie in der
Stuttgarter Staatsgalerie.
Werfen wir
einen Blick auf das Frühwerk aus dem Jahr 1945.
Ein
expressionistisches Gemälde aus der Zeit,
entstanden
am Tag der deutschen Kapitulation in der Zitadelle von Verdun, bezeugt diesen
Prozess als Explosion der Farben:
Elsner
erlebte den 8. Mai nicht als
Trauertag,
sondern er
erlebte die Niederlage des Dritten Reiches als „Tag der Befreiung“,
als ein „Freiwerden“
von der alles umfassenden,
totalen
Gängelung durch den NS-Staat,
als „Chance
zur Selbstentwicklung“
und
zum
Neuentwurf in allen Lebensbereichen.
1953
verschlug es den frisch entlasssenen prisoner
of war Harry Elsner als heimatlos gewordene displaced person hierher
nach Bad
Mergentheim.
Die
eigentliche Heimat hatte er nicht mehr –
was einst
Heimat war, schien fern und für alle Zeiten verloren.
Also wagte
er den neuen Anfang, den Neubeginn hier in Bad Mergentheim,
er wurde
Berufschullehrer,
er gründete
eine Familie und führte eingebettet und getragen von der Familie kein radikales
Künstlerleben, sondern eine fast konventionell anmutende bürgerliches Existenz.
Die
verständnisvolle wie tolerante Ehefrau ließ den künstlerischen Werdegang zu und
förderte ihn in hohem Maße, indem sie ihrem Gatten die Freiheiten zubilligte,
die das künstlerische Schaffen erst möglich machen.
Im Jahr 1964
wurde Elsner, der angehende Politologe, mit dem Amtsantritt des langjährigen
Bürgermeisters Dr. Elmar Mauch in der Kommunalpolitik aktiv –
und erstmals
trat als Künstler vor die Öffentlichkeit.
Geschichte, Politik, Kunst,
das sind die
zentralen Domänen, die Elsners Motiv- und Antriebswelt auch ferner bestimmen
werden.
Elsners
Malerei,
im Umfeld
des Arztes Dr. Brandstädter erstmals einem breiteren Publikum zugänglich
gemacht,
entsteht, so
scheint es zunächst,
nicht über
dem Abgrund,
sondern im
ruhigen Hafen geborgener Bürgerlichkeit.
Doch dieser
„Schein“,
ein viel
gestaltetes Zentral-Motiv Elsners,
trügt auch
hier.
Beim
genaueren Hinsehen offenbart sich Elsner als eigenständiger Geist,
als
Nonkonformist in vielen Dingen,
in stiller,
doch nachhaltiger Auflehnung.
Er hat den
Mut, wenig populäre, unbequeme Themen anzupacken,
und er
bringt die Kraft auf,
künstlerisch-politisch
an Tabus zu rütteln, die er anderswo weltanschaulich respektiert.
und – was
ihn als Künstler aus der Masse der Schaffenden hervorhebt und ihn auszeichnet:
„Er“ – und
das ist mehr als nur ein Kürzel oder Signatur in der Bildecke - entwickelt die
Fähigkeit,
über Grenzen zu schreiten:
hinein - in
die unendlichen Ewigkeiten der Transzendenz –
hinein ins
Metaphysische,
ins
Mystische,
ins
Mythische,
und nicht
selten auch ins Verborgene,
Auch daraus
macht er eine Kunst!
Der einzige
Gott des Judentums, der Christenheit und der Moslems –
Echnaton,
der göttergleiche Pharao, brach mit tausendjähriger Tradition,
indem er
2000 Götter nahm und einen einzigen Gott daraus machte.
Also begründete er – wohl als
erster und für kurze Zeit - den Monotheismus.
Aber auch
die künstlerische Erörterung des Profanen in den Niederungen des Seins im
Alltagsstaat, wo die Freiheiten und Rechte des Individuums beschnitten und
gekappt werden, faszinieren Elsner:
„Leviathan“ ist ein Thema – das biblische Teufelsgeschöpf,
ist auch nach Hobbes das, was Nietzsche „das kälteste aller Ungeheuer“ genannt
hat.
Schließlich
bedroht der alles „reglementierende Staat“ auch die Künstlerexistenz, indem er
die Künstler von heute und geistige Charaktere vielfach dem Untergang
preisgibt, ohne nach ihrer Würde zu fragen.
Das Sujet
hat Appellcharakter –
Elsner setzt
auf die „regulative Idee“, wie es vielleicht Karl Jaspers ausdrücken würde,
auf die „Leitidee“
und auf die
„Assoziation“,
die geistige
Welten wiederzubringen vermag.
Er versteht dieses
Vorgehen – nicht anders als Dichter, Komponisten und Philosophen – als „ein
Ringen mit der Idee und um die Idee“.
Elsner geht
tief in die Menschheitsgeschichte hinein,
er leuchtet
sie aus
und bringt eine
in Farben gehüllte,
verhüllte
und doch auch offenbarte Idee in die Welt zurück,
eine
Leitidee,
aus welcher Schlüsselmomente
und besondere Situationen der menschlichen Entwicklung nachvollzogen werden
können.
Sein von
blauweißem Licht durchflutetes Aton-Gemälde ist ein Beweis dafür –
als
Offenbarung des eigentlichen Lichts und des „Einen“, dem wir alles Leben
verdanken.
Das „Eine“
aber – die alles überstrahlende Sonne – das ist GOTT.
Die alles im
Leben erhaltende „Sonne“ wird ein Dauer-Symbol Elsners bleiben, umgeben von
vielen kleinen, oft unscheinbaren Halbmonden und farbig funkelnden Sternen –
Hinweise auf ein Höheres hinter dem Firmament.
Ein „anthropologisches
Interesse“ bestimmt ihn
und der
Drang,
Phänomene zu
transportieren, die von realpolitischer und historischer Bedeutung sind,
vielleicht geleitet auch von der Hoffnung,
dem
Austausch von Ideenwelten und menschlichen Berührungspunkten könne und werde auch
ein politischer Wandel zu mehr Demokratie und Freiheit hin folgen,
gerade im
Nahen Osten.
Und immer
wieder steht
Die zwischenmenschliche Begegnung
im Mittelpunkt
das Kommen und Gehen,
Willkommen und Abschied,
manchmal auch der Abschied für
immer!?
Gerade diese
Situationen versteht man hier im Krankenhaus am besten,
wo täglich
Menschen zusammenkommen
und auch
scheiden müssen.
Als die
Organisatoren dieser Ausstellung,
Prof. Dr.
Bundschu und Hausoberer Wiegand
im Gespräch
mit dem Künstler
nach einem
treffenden und zugleich repräsentativen Überbegriff für diese Retrospektive
suchten,
kam man
schnell auf einige wesentliche Begriffe:
„Grenzüberschreitungen“, das klang schon gut.
Doch „Begegnungen“ – das klang noch besser.
Dieses
spezielle „Schlüsselwort“ bot sich an, weil die gesamte Wesenheit Elsners in
diesem Wort zusammengefasst ist.
Was schrieb
der Künstler vor ein paar Jahren über sich selbst, zurückblickend an die Stätte
seiner Herkunft und in die Jahre der Kindheit:
„In Sohrau – meinem Geburtsort,
im Anwesen meiner Großeltern Broll – (…) wurde offenbar frühzeitig mein
Interesse für die bildende Kunst und die Musik geweckt:
Vor dem Haus häufig buntes
Markttreiben, im Haus Begegnungen mit Menschen aus nah und fern.“
Diese
„Begegnungen mit Menschen“ werden prägend und wesensbestimmend –
für den späteren
pädagogischen Beruf
und für die
künstlerische Berufung!
Dort, wo
Elsner mit seinen Motiven und Farben auf die Menschen zugeht,
ihre Welten
transportiert,
ihr Denken
und Fühlen,
ihr Sehen
und ihr Verständnis von Perspektiven und Abbildungen,
dort wird
der Künstler Harry Elsner zum „Brückenbauer“ und Weltenversöhner im Sinne
Goethes.
Ein Blick
auf das Gemälde „Begegnungen“, das die heutige Einladung ziert:
Und wir
sehen „ menschliche Wesen“,
abstrakte
Gestalten zwar,
dunkle und
helle,
kommende,
scheidende,
wir erkennen
„Individuen“ in zwei Gruppen,
Individuen,
die vielleicht auch Charaktere sind,
vor allem
aber erkennen wir:
„Menschen“ in
der Bewegung,
im
dynamischen Prozess
aufeinander zu schreitend,
und nicht aneinander vorbei;
und wir
fühlen,
dass die
weißen und marineblauen menschlichen Konturen,
die auch Ärzte sein könnten auf
dem Weg zur Visite,
im
Miteinander existieren können und wollen,
im Gespräch,
im interkulturellen Dialog,
einander helfend
- nicht im Nebeneinander.
Viel kann in
diesen Dualismus,
der auf
einen Monismus,
ja auf eine
„coincidentia oppositorum,
einen
Zusammenfall der Gegensätze, hinausläuft,
hineininterpretiert
werden
Licht und
Finsternis,
Gut und
Böse,
der alte
biblische und metaphysische Konflikt leuchtet daraus hervor –
und, wenn
wir genauer hinsehen,
sind da auch
„zwei Welten“ angedeutet:
Orient und Okzident,
die immer
noch nicht zur Versöhnung finden konnten.
„Gottes ist der Orient,
Gottes ist der Okzident“
dichtet
Goethe –
Die
Botschaft wurde längst gehört,
nur ihre
Vollendung lässt noch auf sich warten.
Wer den
Orient bereist hat, fühlt unmittelbar, was dieses einladende Gemälde
auszudrücken versucht:
Wir sind in
Ägypten,
ein kleiner Hinweis
deutet darauf hin,
nicht weit
von Babylon und dem Heiligen Land,
wir befinden
uns an der Wiege der Menschheit,
dort,
wo das
Archetypische und Symbolische noch deutlicher zusammen fließen
als im
aufgeklärten Abendland.
Harry Elsner
hat den Orient weit und breit erkundet und seine Weisheit erlebt.
25 Reisen
führten ihn überall hin,
nach dem
Jemen,
in den Sudan
zu den Nubiern,
in die
Sahara,
zu Stätten
der Königin von Saba – nach Theben und Karthago,
in die libysch
algerische Wüste und an den Hohen Atlas.
Von jeder
dieser Reisen brachte er uns farbige Geschichten mit,
originelle
und fremdartige wie jene aus den Märchen von Tausend und einer Nacht.
Während
selbst führende Orientalisten die arabische Welt mieden,
um sich das
Fachwissen aus Büchern anzueignen,
lotete der schlesische
Maler aus Mergentheim eine ihm zunächst fremde,
aber mit dem
Kennenlernen immer vertrauter werdende Welt aus.
Harry Elsner
ist in der Tat ein Orient-Begeisterter –
und diese
Begeisterung brachte er auch mit zu uns,
im Bewusstsein,
uns für
interkulturelle Phänomene zu sensibilisieren
und um
Verständnis für andere Sichtweisen und
Werte zu werben.
Elsner setzt auf den
interkulturellen Dialog, indem der das Gespräch zwischen den Kulturen
praktiziert.
Das schafft
Verständnis füreinander, Versöhnung und führt zusammen,
statt zu
trennen und zu spalten.
Alles
vollzog und vollzieht sich bei ihm über die „Begegnung“
mit Menschen anderer Kulturen
im gelebten Miteinander.
Auf die zahlreichen
Reisen und Erfahrungen im Orient zurückblickend, sagt der Künstler heute:
„Die Begegnungen mit Menschen
Nordafrikas und ihren uralten Kulturen lassen Mythisches und Legendenhaftes
lebendig werden.
Archaische Reminiszenzen fließen
in die Bildthematik ein. Rudimente von Ornament, Arabeske und Maureske oder
kalligraphische Fragmente locken den Schauenden in labyrinthische Farbformen“
Über das
Anthropologische und Phänomenologische hinaus, wirkte das Studieren und
Erfahren des arabisch-moslemischen Kulturkreises unmittelbar stilbildend.
Anderes
Licht, andere Farben flossen in das Werk ein und führten zu neuen, hier selten
gesehenen und originellen Ansätzen. Rückblickend betont der Maler heute:
„Auf zahlreichen Studienreisen in
Nordafrika fand ich dann für meine Malerei das einzigartige Umfeld, in dem
sinnliche Wahrnehmung von Licht und Schatten einerseits und theoretisches
Wissen und Farbgesetze andererseits ein hohes Maß an Kongruenz erfahren.
Die Erfahrungen von archaischer
Hoheit, Größe und Vielfalt der Landschaften zwischen Sinai und Hohem Atlas,
Mittelmeer und Sahel stimulierten die Phantasie und regten zu formaler und
inhaltlicher Auseinandersetzung sowie gestalterischer Umsetzung mit
bildnerischen Mitteln an.
Den Verlockungen der Buntheit
orientalisch-afrikanischen Lebens in Medina. Bazar, Souk war nur schwer zu
widerstehen, ein Nachgeben auch nicht schicklich – gegenüber den Menschen und
den Gesetzen ihrer Religionen und Kulturen.
Der Respekt vor diesen ist Sitte
und Tradition.
Das Abbild ist tabu.
In der Konsequenz bedeutete das
für meine Malerei also die Hinwendung zur Abstraktion – bestenfalls zu einer
abstrakt-expressionistischen Bildsprache, die den Menschen im
afrikanisch-arabischen Raum auch verständlich ist und akzeptiert wird.“
Mit diesen
interkulturellen Implikationen und Rücksichten erklärt der Maler auch seine
Affinität zur Abstraktion, die er jedoch nie absolut gesetzt hat.
Harry Elsner
erlebte in der orientalischen Welt „tiefe,
wahrhaftige Gastfreundschaft“ –
und er
erwiderte diese in Bad Mergentheim
als
Vorsitzender des hiesigen Kulturvereins,
als er die
fernen Gäste auch hier bei uns begrüßte.
Eine
Vielzahl von Ölgemälden entstand in dem moslemischen Umfeld Nordafrikas, in
einer künstlerischen Wahlheimat, die ihn mehr inspirierte als das vertraute,
christliche Abendland,
Zwischen
Alter und Neuer Geschichte,
zwischen den
Kulturen,
im hermetischen und im
hermeneutischen Prozess.
So wurde aus
dem „Künstler mit Mission“ – nicht etwa ein „eifrige Missionar“, der seine
Überzeugungen religiöser und weltanschaulicher Art anderen aufzuzwingen sucht,
sondern der Vermittler zwischen den Kulturen,
der Botschafter,
der zugleich
ein „ehrlicher Makler“ im Verständnis eines Fürsten Bismarck ist.
Harry Elsners Malerei
Harry
Elsners Malerei ist komplex und tiefgründig –
ganze Bücher
könnte man darüber schreiben, wollte man ihr gerecht werden und sie angemessen
interpretieren.
Hier nur eine
knappe Essenz von dem, was man in einem abendfüllenden Vortrag nicht sagen
könnte:
Jedes Gemälde Harry Elsners ist
ein eigenes Universum,
eine stets neu sich erschaffende
Welt der Farben,
der Nuancen, Facetten und
Spiegelungen,
wo das Innovative in der eigenen
Farbkomposition zu sehen ist,
die Sujets und Ideen in
unverkennbarer und deshalb „origineller“ Art
hervorbringt.
„Das ist ein
Elsner!“
wird der Kunstfreund
ausrufen, wenn er das Kamin-Zimmer im ehrwürdigen Kloster Bronnbach betritt
und vor
einem monumentalen Bild in einem gewaltigen Bilderrahmen staunend inne hält.
Und er wird
den Ausruf wiederholen, wenn in der Stuttgarter Staatsgalerie
dieser
Mergentheimer „Elsner“
zwischen
anderen zeitgenössischen Darstellungen markant hervorsticht!
Das Gemälde
ist mit den symptomatischen Worten
überschrieben:
„Begegnung bei Sarenput“!
Ein Zufall
ist diese wiederkehrende „Begegnung“ nicht, –
das ist
gelebte Weltanschauung von Alpha bis Omega.
Dort, wo Harry Elsner seine sensiblen
Arabesken gestaltet,
dort wo Lapislazuli und andere halbedelsteinfarbene
Töne hervorleuchten,
dort, wo schlichte, zu
geometrischen Formen reduzierte Arabesken als ferne Sinnbilder mehr ausdrücken
als Dignität zersetzende, plumpe Abbilder,
dort hat Harry Elsner
Meisterhaftes erreicht,
dort hat er seinen Stil gefunden
und ihn am eindeutigsten ausgeprägt –
und dort leuchtet auch viel von
seiner Wesenheit hervor,
seine gesamte menschliche und
künstlerische Individualität,
ebenso wie die Wesenheit der
Dinge,
die er im mäieutischen Prozess
übers Nachdenken an das Licht des Tages fördern will.
Aus dem
Symbol scheint die Idee hervor – und aus der Idee eine ganze Religion oder
Weltanschauung,
ein
philosophisch- geistiges Programm.
Symbolisch
Gestaltetes ist allpräsent in Elsners Oeuvre, mit Geschichte und Geschichten
dahinter:
Babylon,
Ninive, Karthago,
ein Aquarell
vom Alten Basar im Herzen Kairos
mit
geschäftigen Menschen im Alltag,
die Insel
Elephantine,
wo
Weltgeschichte abrollte,
als der
Schah von Persien floh und dort kurzfristig Asyl erhielt,
ohne zu
ahnen,
dass
zwischen Amerikanern und Ägyptern auch ein Maler aus Bad Mergentheim vor Ort
weilte,
der „Alte
Katarakt“ dort,
die weißen Feluken
in den überblauen Fluten des Leben spendenden Nil,
der libysche
Wüstensand,
der uns Uneingeweihten
nicht mehr bedeutet als Einsamkeit und Tod -
die Motive
Elsners sind breit gestreut,
auch
enigmatisch,
und manchmal,
so scheint es,
auch
hermetisch,
verschlossen,
so als ob
man die tiefere Wahrheit aus dem Verborgenen erst heben muss –
wie der Arzt
das Neugeborene –
in einer
besonderen Maieutik in Farbe.
Der Künstler
appelliert stets an ein reges geistiges Bewusstsein,
das zur
„religio“,
zum
Zurückbinden und Zurückfinden fähig ist,
zum Streben
zu den Wurzeln,
zu den
Ursprüngen unseres Seins.
Dieser Weg
zurück zum Ursprung führt den Betrachter der Elsnerschen Ölgemälde zu den
elementaren Anfängen,
an den Ort
ihrer Genese und der Genesis,
wo der
Exodus startete – und ein weiterer Exodus,
der immer noch
anhält, weil die Übel der Welt noch nicht beseitigt sind.
Verweilen
wir kurz bei dem Gemälde „Exodus“, das mit den einladenden „Begegnungen“ so
verwandt ist:
Gegenständliches
ist fast nicht zu erkennen,
dafür aber
viel Realität als Historie und als aktuelles Tagesgeschehen.
Frauen,
Kinder, angedeutete Individuen,
die
eigentlich nur Konturen sind,
formen sich
zu einer Masse, zu einem Zug,
der einen „Aus-Zug“
vollführt,
von den
Quellen des Nil hoch nach Norden,
nach
Äthiopien,
aus Ägypten
hinaus
und in
jüngster Zeit aus Afrika hoch über Gibraltar oder übers Mittelmeer nach Europa.
Die
Phänomene des Auszugs,
des
Wanderns,
des
Aus-Wanderns,
wo nicht nur
Individuen sondern ganze Völker ihrem Weg, ihren Tao, ihre Bestimmung suchen,
sind hier
trefflich eingefangen.
Harry Elsner
weiß aus eigener Erfahrung, was „Exodus“ bedeutet:
Flucht, Vertreibung, Ausgrenzung!
Und er weiß
auch, dass der Mensch von Anbeginn an immer auf Wanderschaft war – und genau
betrachtet allzeit als Fremder.
Heimat, das
ist vielleicht nur eine Illusion!?
Elsner
entführt uns – und er führt uns nicht in die uferlose Abstraktion,
wo jede
Nachvollziehbarkeit endet,
sondern er
geleitet uns an einen besonderen Ort der Einkehr,
wo Geist und
Seele zu sich selbst finden:
Er begleitet
uns dorthin, wo wir uns vielleicht am nächsten sind,
in die Einsamkeit der Sand-Wüste,
aber auch an
einen der größten Ströme der Erde,
an den Leben
spendenden Nil,
dorthin,
wo Sein und
Nichtsein seit mythischen Urzeiten und täglich im unmittelbaren Widerstreit
liegen,
eben an die
Grenze zwischen Leben und Tod,
in existentielle
Grenzbereiche,
die man hier
im Krankenhaus anders erlebt und besser versteht als sonst wo im Alltag.
Er führt
zwischen Sein und Nicht-Sein
und versetzt
uns so in die Lage,
tiefer und
gründlicher über unsere Geworfenheit und
über unser
Sein in der Welt nachzudenken.
Wüste – das
bedeutet Einsamkeit,
letzte,
tiefste Einsamkeit,
Wüste –
bedeutet aber auch Katharsis,
seelische
Läuterung, Reinigung!
Die großen
Religionsstifter zog es in die Wüste,
Zarathustra,
Buddha,
Moses,
Johannes den
Täufer,
Jesus,
den
Propheten Mohammed
und
abertausende Anachoreten des Frühchristentums,
die in
ägyptischer Wüste ihr Seelenheil suchten,
in glühender
Sonne den Heimsuchungen des Mittagsdämons trotzend,
in der
Hoffung auf Klarsicht
durch
Einkehr und Meditation.
Das Schaffen
aus der Einsamkeit heraus,
aus der
Wüste heraus,
ist
symptomatisch für Harry Elsner:
„Dort in der Wüste trifft man noch
andere Verrückte“
lächelt der
Künstler souverän, weil er vom Schmerz des Unverstandenen weiß.
Wenn sich der
Künstler aus der Geborgenheit der bürgerlichen Existenz,
die Heimat
ist und ruhiger Hafen,
in sein einsames
Atelier zurückzieht –
oder eben in
die Wüste,
dann ist ihm
wohl bewusst,
dass er im
künstlerischen Schaffen mit seinem Kunstwerk letztendlich allein bleibt –
und lange
allein bleiben wird.
Denn wer
wird ihn verstehen?
Wie viele
werden ihn überhaupt verstehen?
Wird die
Botschaft überspringen?
Werden die
Menschen in der oberflächlichen und hektischen Gesellschaft noch die Geduld
aufbringen, um in seine Ideenwelt einzutauchen,
ihm „zwischen“
die Kulturen folgen?
Hinein in die offene Struktur?
Dem Lyriker
und Poeten von heute,
der im
Verborgenen seine reimlosen Verse zimmert,
dem
Komponisten jenseits der Tonalität, der Harmonien und des symphonischen
Zusammenklangs,
wird es
nicht besser ergehen als den abstrakten Malern der Neuzeit,
die allesamt
ihre Subjektivität in Kunst umsetzen,
um
Individualität und Originalität zu erreichen.
Kunstbetrachtern
und Kunstkritikern wird es aber auch nicht leicht fallen,
sich mit der
Überfülle an Originalität auseinanderzusetzen
und diese
allgemein verbindlich zu objektivieren.
Was wird
noch von der Ästhetik abgedeckt?
Wo sind die
Grenzen von Ästhetik und von Kunst?
Wo beginnen
die reine Gaukelei und das Gaukelwerk des Kommerzes,
der zu Kunst
deklariert, was sich gut verkauft?
Harry Elsner
hat das Spiel des objektgleichen und entwürdigenden „Vermarktetwerdens“ nie
mitgemacht.
Er schuf
seine Werke „an sich“ – und er brachte sie unter die Leute.
Recht erfolgreich
von Anfang an, damals in der Festung von Verdun, als die Amerikaner seine
Zeichnungen und Gemälde nach Übersee mitnahmen,
bis heute,
wo Elsnersche
Gemälde in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen hängen,
im Inland
und im Ausland.
Die Zeit wird
darauf antworten, wo Harry Elsners Malerei kunstgeschichtlich einzuordnen ist.
Wir blicken
zurück –
und wir blicken
auf ein breites Werk zurück,
das, wie bei
anderen bedeutenden Künstlern auch,
recht
unterschiedlich ist,
das einsame
Höhen der Inspiration kennt, und anderes, wo es Studie geblieben ist.
Künstler
sind Stimmungen unterworfen und Gestimmtheiten –
und je nach
der seelischen Lichtkonstellation kann ein Bild genial ausfallen oder gänzlich
missraten.
Die Großen
wissen davon – und auch sie kennen Rückschläge, Zweifel und Entmutigung.
Einzelne Schaffensperioden
zu unterscheiden,
Entwicklungen
auszumachen und vor allem seine Kunst zu werten ist bei Harry Elsner nicht
einfach,
weil das
Gesamtwerk noch nicht katalogisiert und deshalb auch noch nicht gänzlich
überschaubar ist.
Eines ist jedoch gewiss.
Seitdem Harry Elsner im Jahr 1974
aus einem Gefühl heraus und zugleich höchst bewusst in die Arabische Welt
eintauchte, stehen Stilrichtung, Sujets und Botschaft fest.
In den
segensreichen Jahren des Ruhestands nutzte Harry Elsner die Zeit,
um sein Werk
aufblühen zu lassen, um die Früchte zu mehren und den individuellen Stil zu
vervollkommnen.
Harry Elsner
hat seinen Weg beharrlich durchgehalten –
und er hat –
als Mensch und Künstler sein Leben gelebt,
wahrhaftig
gelebt.
Diese letzte
große Ausstellung,
die,
gemessen am Gesamtwerk,
nur einen
unvollständigen Eindruck ermöglicht,
ist ein Spiegelbild auch der
konsequent gelebten Existenz
zwischen den Kulturen,
zwischen Ost und West,
als Oberschlesier zwischen Polen
und Deutschland,
ungeachtet der belastenden
Geschichte – oder gerade deswegen,
und nicht zuletzt zwischen
Okzident und dem uns immer noch fremden Orient.
„Wer sich selbst und andre kennt,
wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
Sinnig zwischen beiden Welten,
Sich zu wiegen, lass ich gelten;
Also zwischen Ost und Westen
Sich bewegen, sei’s zum Besten.“
Goethe hat
es paradigmatisch vorgeben – Harry Elsner orientierte sich danach, ein Leben
lang.
Der Mensch,
diese Trias
von Körper, Geist und Seele, verlangt nach Ganzheitlichkeit im Denken und
Erfühlen.
Deshalb hat
Harry Elsner seine letzte öffentliche Ausstellung gerade in ein großes
Krankenhaus verlegt,
hierher,
in das Herz
der Gesundheitsstadt Bad Mergentheim.
Denn das
Krankenhaus ist ein besonderer Ort – gerade für Kunstrezeption.
Der Künstler
erzählte mir eines Tages von einer außergewöhnlichen Begebenheit.
Eine Kranke
sei über eines seiner Gemälde hergefallen und hätte es so lange mit einem
Messer traktiert, bis nur noch ein paar bunte Leinenstreifen übrig waren – und
ein leerer Rahmen!
Auch das ist
Kunst-Rezeption und Welt-Exegese.
Kunst regt
an, Kunst lässt revoltieren und Kunst provoziert Gesunde wie Kranke?
Vielleicht
war es der Schöne Schein, der die kranke Seele aufschreien und handeln ließ – nicht
die reine Destruktionswut?
Können wir
alles wissen und ergründen?
Der Gesunde
jedenfalls kann auch hinter den „Schleier“ blicken und den „falschen Schein“
durchschauen.
Er kann die „Scheintür“
als solche ausmachen –
und den
Holzweg, die Sackgasse oder das endlose Labyrinth dahinter,
das ins
Nichts führt.
Und er kann
tiefere Wesenheiten erkennen, die den Künstler antrieben,
eben dieses
bestimmte Kunstwerk in die Welt zu schicken.
Harry Elsner
lässt den Kunst-Betrachter nicht allein –
er lässt ihn
zwar eintauchen in ein Meer höchst individueller Farbtöne,
die von
fernen Welten künden,
im Physischen
wie im Metaphysischen.
Und er
überlässt ihn der stillen Meditation.
Aber er gibt
ihm stets eine Idee mit auf den Weg,
ein
Schlüsselwort,
einen Code,
der ihn vor den
labyrinthischen Gängen bewahrt,
vor dunklen
Katakomben und vor Irrwegen der Interpretation.
Farb-Strukturen,
bei anderen zufällig hingeworfen, stehen bei Harry Elsner in einem klaren Sinn-Zusammenhang
–
Wer Form und
Farbe des Granatapfels kennt,
wird diese
bei genauerer Betrachtung im Gemälde wiederfinden,
ebenso wie
das koptische Kreuz,
das auf ein
friedliches Miteinander der Religionen verweist –
wie Kohle
und rotes Feuer im schlesischen Dom.
Elsner hat
viel Sinnbildliches in seiner Kunst festgehalten,
in Ölfarben
auf Leinwand verewigt:
nicht nur
nahöstlich Exotisches, um die Versöhnung zu fördern und den Hass zu bannen;
auch „gegenständliche
Impressionen“ bestimmen sein Werk,
architektonische
Motive aus den europäischen Zentren von Kunst und Kultur neben den alten
Stätten der Menschheitsgeschichte;
ebenso
Motive aus dem Taubertal
und
natürlich aus Bad Mergentheim –
wie der hier
ausgestellte „Blick“ in die von Leben erfüllte Burgstraße –
als eine Hommage
des Künstlers an seine zweite Heimat,
an seine Wahlheimat
Mergentheim.
Bildnisse
von Freunden, Verwandten und guten Bekannten,
manchmal
auch als Auftragsarbeit – selbst „sehr Persönliches“ floss mit in die
Kunstgestaltung ein.
Wenn ich das
„sehr Persönliche“ hier hervorhebe,
dann beziehe
ich mich besonders auf ein Werk,
auf ein „Ausnahme-Portrait“,
das in
seiner Intensität alle anderen Gemälde hier in diesen Räumen an Ausdruck, Kraft
und intensivster Lichtentfaltung überstrahlt.
Es ist
sicher das Kunstwerk, in welchem Harry Elsners das meiste Herzblut verströmt
hat:
es ist das
Bildnis der Enkelin Franziska,
die in blühender
Jugendlichkeit im Alter von nur 18 Jahren auf höchst tragische Weise in einem
Verkehrsunfall mitten aus dem Leben gerissen wurde.
Wenn Schmerz
und verklärende Anbetung in einem Gemälde überhaupt umgesetzt werden können,
dann hat „Großvater
Harry“ den tiefen Schmerz einer ganzen Familie fast übermenschlich meisterlich
umgesetzt.
Er hat seine
geliebte Enkelin, die lebensfroh an der Seite des anderen Großvaters, des Caritas-Technikers
Erwin Dörr oft in diesen Hallen weilte,
wieder
erweckt,
zurück ins
Leben geholt,
damit über
das in Licht gehüllte Bildnis die Erinnerung an einen geliebten Menschen über
die Zeit hinaus wach gehalten werden kann.
Auch das
leistet Kunst –
Sie hilft uns, den tiefsten Schmerz
zu ertragen
und sie
hilft, trotz unbeschreiblicher Pein und Not, an der sinnerfüllten Existenz
festzuhalten und diese zu bewältigen.
„Wem Gott will rechte Gunst
erweisen,
denn schickt er in die weite
Welt,“
dichtete der
Schlesier Freiherr von Eichendorff.
Harry
Elsner, der Künstler ohne Geburtsurkunde und dem eingedeutschten Namen
Haribert, weil es sich im NS-Staat nicht schickte,
einfach nur „Harry“
zu heißen,
hat sich an
Eichendorffs Leitsatz gehalten –
als Wanderer
zwischen den Welten,
mit
Zuversicht und Gott im Herzen,
hat er einen
Teil der großen Welt ausgelotet –
von Sohrau
in Oberschlesien bis nach Verdun,
von Bad
Mergentheim bis zum Horn von Afrika,
um nur die
Gegenden zu nennen, die ihn existentiell am deutlichsten prägten und
künstlerisch befruchteten.
Aus der Jetztzeit
ging er – über Goethes Forderung hinaus schreitend - ganze sechstausend Jahre
zurück bis in den Garten Eden,
hinein ins Mesopotamische
Land zwischen Euphrat und Tigris und bis zu den Grabstätten der Pharaonen bei
Theben.
Bilder und
Botschaften brachte der „Brückenbauer“ zurück –
wir können
nunmehr alles staunend betrachten,
wir können
uns in seine Welt vertiefen und ihm dabei helfen,
den
gemeinsamen Weg zum Humanum zu beschreiten.
Geschichte, Politik, Geist und
Kunst in vielen Formen
zwischen den Kulturen und mit den
Kulturen,
das,
verehrter Herr Elsner,
sind auch die
Elemente,
die auch unsere
Biographien verbinden – bis hinein in den gemeinsam erlebten Exodus!
Es ist mir
eine große Ehre, diese Retrospektive geistig begleiten und einleiten zu dürfen.
Möge nunmehr
nur noch die Kunst sprechen!
Meine Damen,
meine Herren, ich danke Ihnen!
Vgl. dazu den Bericht:
http://www.kk-km.de/bb_trier/FORUM-Magazin/Media/Forum-1-09_RZ_scr.pdf?WSESSIONID=8
(S.10f.)
Vgl. dazu den Bericht:
http://www.kk-km.de/bb_trier/FORUM-Magazin/Media/Forum-1-09_RZ_scr.pdf?WSESSIONID=8
(S.10f.)
Auszug, Flyer
Carl Gibson im Kloster Bronnbach (2013)
vor einem Gemälde von Harry Elsner
Im Kloster Bronnbach
Carl Gibson im Kloster Bronnbach (2013)
vor einem Gemälde von Harry Elsner
Mehr zur Position der - ausgesperrten - anderen Seite
und Differenzierteres
in diesen aktuellen Studien:
Carl Gibson,
Vom Logos zum Mythos !? Die Herta Müller-Maskerade im Brenn-SPIEGEL der ZEIT-Kritik
Ein forcierter Nobelpreis für Literatur (2009)!?
Wie eine Hasspredigerin und Systemprofiteurin der Ceausescu-Diktatur deutsche Politiker hinters Licht führt und die Werte des christlichen Abendlandes auf den Kopf stellt!
Abschied von der Moral - Umwertung aller Werte!?
Zum aktuellen politischen Wandel im Land des aufwachenden Deutschen Michel:
Renaissance des Kommunismus, Wille zur Macht oder neues Biedermeier in Deutschland?
Was ist los in Deutschland?
Verabschiedet sich das neue Deutschland nach der Wende von der Moral?
Weshalb werden in Berlin Kommunisten mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt?
Weshalb setzen sich deutsche Politiker rücksichtslos über die Wahrheit hinweg und segnen in fragwürdigen Ehrungen Lügen ab, ohne auf berechtigte Einsprüche und Bürgerprotest einzugehen?
Fallen die Deutschen, saturiert, apolitisch unkritisch in die Welt des Biedermeier zurück, den Blick abwendend, wenn Unrecht geschieht, während sich so in politischer Arroganz eine neue Form des Willens zur Macht ausbildet?
Carl Gibsons zunehmend politischer werdendes Aufklärungswerk geht weiter.
Nachdem bereits in den drei im Jahr 2014 publizierten Kritiken zum Leben und Werk Herta Müllers argumentativ dargelegt und philologisch-komparatistisch im Detail nachgewiesen wurde, wie die umstrittene Nobelpreisträgerin für Literatur (2009) systematisch lügt, täuscht und plagiiert, fragt der Zeitkritiker Gibson nun nach den Hintermännern der forcierten Abläufe und inszenierten Maskeraden sowie nach dem Endzweck des – für die demokratische Kultur fatalen - Zusammenspiels von Medienwirtschaft und Politik auf Kosten von Ethos und traditionellen Werten. Wohin steuert dieses Deutschland, das die „Tugenden des Kommunismus“, das Lügen, das Täuschen und das Stehlen, der Ehrung wert findet? In den antidemokratischen Berlusconi-Staat der Machtzyniker? Oder fallen die wiedervereinten Deutschen ethisch blind und politisch kurzsichtig in die verlogene Welt des Kommunismus zurück?
Carl Gibson, Zeitkritiker, Historiker, Literaturwissenschaftler, Gründer und Leiter des „Instituts zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa“, lieferte mit seinen autobiographischen Aufklärungswerken „Symphonie der Freiheit“ (2008) und „Allein in der Revolte“ (2013), verfasst aus der Insider-Perspektive eines verfolgten Dissidenten während der kommunistischen Diktatur in Rumänien, die realistischen Vorlagen für Herta Müllers Selbst-Inszenierung als Oppositionelle. Gibsons scharfe, seit 2009 weltweit rezipierte Herta Müller Kritik ist in der bundesdeutschen „Forschung“ noch nicht recht angekommen. Mehr zur Materie in den –in Deutschland noch boykottierten, inzwischen aber an den US-Eliten-Universitäten vorliegenden - Studien: „Die Zeit der Chamäleons. Kritisches zum Leben und Werk Herta Müllers aus ethischer Sicht, 2014, in: „Ohne Haftbefehl gehe ich nicht mit“ – Herta Müllers erlogenes Securitate-Folter-Martyrium, 2014 bzw. in: „Plagiat als Methode – Herta Müllers „konkreative“ Carl Gibson-Rezeption“. Diese Studien - teils mit umfassender Dokumentation - bilden eine Basis für die noch ausstehende „kritische“ Herta Müller-Monographie sowie für die systematische Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Rumänien.
ISBN: 978-3-00-048502-2
Carl Gibson:
Plagiat als Methode - Herta Müllers „konkreative“ Carl Gibson-Rezeption
Wo beginnt das literarische Plagiat? Zur Instrumentalisierung des Dissidenten-Testimoniums „Symphonie der Freiheit“ –
Selbst-Apologie mit kritischen Argumenten, Daten und Fakten zur Kommunismus-Aufarbeitung
sowie mit kommentierten Securitate-Dokumenten zum politischen Widerstand in Rumänien während der Ceaușescu-Diktatur.
Rezeption - Inspiration - Plagiat!?
Herausgegeben vom Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim. Seit dem 18. Juli auf dem Buchmarkt.
399 Seiten.
Publikationen des
Instituts zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa,
Bad Mergentheim
Zur Geschichte des Kommunismus,
zu Totalitarismus
und zum Thema Menschenrechte
Aktuell in der Presse
Copyright © Carl Gibson 2015
Fotos: © Monika Nickel
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