Donnerstag, 17. März 2016

„einsam lieg’ ich am Strande des äußersten Endes der Erde“ - Zur Einsamkeit verdammt am Ende der Welt: Ovids melancholische Dichtung vom Pontus. (Aus dem Kapitel: Vereinsamung und Melancholie im Spätwerk, in den Elegien „Tristia“ und in den Briefen „Epistulae ex Ponto“.) Leseprobe aus: Carl Gibson, Koryphäen der Einsamkeit und Melancholie in Philosophie und Dichtung aus Antike, Renaissance und Moderne, von Ovid und Seneca zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche.

Leseprobe aus: Carl Gibson, Koryphäen der Einsamkeit und Melancholie in Philosophie und Dichtung aus Antike, Renaissance und Moderne, von Ovid und Seneca zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche.

(Aus dem Kapitel:

Ovidius Naso in Verbannung in Tomis, am Schwarzen Meer – Vereinsamung und Melancholie im Spätwerk, in den Elegien „Tristia“ und in den Briefen „Epistulae ex Ponto“.)




Ovid, Büste, in Bukarest.



3. 1. „einsam lieg’ ich am Strande des äußersten Endes der Erde“ - Zur Einsamkeit verdammt am Ende der Welt: Ovids melancholische Dichtung vom Pontus.



Verbannung – ein Schreckenswort der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit. Die Namen wechseln, doch die Methode bleibt über Jahrtausende die gleiche. Sieht man einmal von der altgriechischen Ausnahme ab, potenzielle Usurpatoren und Feinde der Demokratie zum Schutz dieser von der Macht zu entfernen und ins Exil zu schicken, dann war „Verbannung“ fast immer das Mittel der Mächtigen, politische Rivalen und Andersdenkende los zu werden, sie zu isolieren, sie auszugrenzen, um so ihr geistiges und politisches Wirken zu unterbinden, es für viele Jahre unmöglich zu machen. Wer den Mächtigen gefährlich werden konnte, wurde nicht gleich exekutiert, von Meuchelmörderhand umgebracht, ins finstere Loch oder ins Gefängnis geworfen - nein, weitaus schlimmer: Er wurde der strafenden Einsamkeit überantwortet, dem unfreiwilligen Alleinsein, der Ausgrenzung und Stigmatisierung: Er wurde von seinen Wurzeln abgeschnitten, seines Umfelds und selbst seiner Familie beraubt, um zu leiden und um im Leiden in Einsamkeit, Vereinsamung und Verzweiflung gedemütigt und für immer gebrochen zu werden. Für diejenigen Individuen, die sich den Rückzug und das Leben in Einsamkeit nicht selbst aussuchten, wird die sonst segensreiche Einsamkeit zum Fluch. Das ihnen zwanghaft verordnete Refugium hingegen wird – selbst am Locus amoenus gelegen – zur Hölle.


Lange vor den gebannten gesalbten Häuptern des Mittelalters und zwangsexilierten Intellektuellen neuzeitlicher Diktaturen von links und rechts wurden viele hervorstechende Köpfe antiker Geschichte und Geistesgeschichte gezwungen, einen Teil ihres Lebens im unfreiwilligen Exil[2] zu verbringen. Dem Griechen Aristoteles blieb ein solches Schicksal ebenso wenig erspart wie den edlen Römern Cicero, Seneca – und Ovid. Tusculum, wo der einsame, doch längst nicht vereinsamte Cicero nach seinem eigentlichen Exil meditierte, war nicht allzu weit von Rom entfernt. Doch Tomis, wohin Ovid von Augustus verbannt worden war, weil diesem Ovids gut gemeinte Liebesanleitung in Versen, die „Ars Amatoria“, angeblich nicht recht gefallen wollte, lag am Ufer des Schwarzen Meeres, am Pontus Euxinus, also an der Grenze des zivilisierten Weltreiches der Römer zur Zeitenwende, am Ende der Welt. Dorthin verbannt zu sein und dort im fernen Exil, unter fremden Völkern nach langen Jahren leidvollen Ausharrens letztendlich sterben zu müssen, bedeutete Bestrafung, maximale Strafe.


Wenn Ovid am Ufer stand und mit müdem Blick die Brandung beobachtete, traurig wie jener vereinsamte Mönch am Meer im Gemälde von Caspar David Friedrich; wenn er auf die See hinaus starrte, in der Hoffnung, Kaiser Augustus könne sich doch noch erbarmen und ihn, den gefeierten Dichter der „Metamorphosen“, begnadigen und heimkehren lassen, erlebte er die Einsamkeit des Goldstrandes nicht mehr als Genuss, sondern nur noch als grenzenlose Vereinsamung, die sich bisweilen zur tiefen Melancholie steigerte. Der locus amoenus einer an sich idyllischen Natur wandelte sich unter Zwang und mangelnder Freiheit zum Schreckensort, zum locus terribilis, an welchem auch keine heitere Kunst entstehen konnte. Die Früchte dieser Zeit der Trauer und Verzweiflung sind die „Tristia“, einsame Elegien eines einst heiteren und lebensfrohen Dichters, der nunmehr als Verbannter fern der Heimat mehr verzweifelt als dem Schicksal ergeben auf den Tod wartet.
Tomis, heute eine Großstadt am Schwarzen Meer, Constanta geheißen, war zu Ovids Zeiten eine kleine Hafenstadt, die neben Histria und Calatis, bereits vor Jahrhunderten als Griechensiedlung gegründet worden war. Sie lag an der äußersten Grenze des Römischen Weltreiches, bereits jenseits eines imaginären Limes und damit jenseits der zivilisierten Welt. In jenen Gebieten lebten Daker, Geten und Sarmaten, Völker, die von Rom zu den Barbaren gezählt wurden. Das von Burebista gegründete Reich der Daker, einige Jahrzehnte vorher noch bis Makedonien reichend, war um 8 n. Chr., als Ovid den Schwarzmeerstrand erreichte, bereits zerfallen und Decebalus, der andere Führer der Daker, der Rom mehrfach militärisch trotzen sollte, war noch nicht einmal geboren. In jener entlegenen Ecke des Weltreiches sollte Ovid, der gefeierte Dichter Roms, für etwas büßen, was er nicht getan hatte - nicht viel anders als der Rhetor und Staatsmann Cicero vor ihm und der Stoiker Seneca nach ihm, weil es dem Imperator so gefiel. Augustus hatte wohl selbst den Verbannungsort ausgewählt und verfügt, dass der Dichter, der zudem vermutlich noch einiges gesehen hatte, was er besser nicht hätte sehen sollen, mit dem Schiff an jenen entlegenen Ort am Pontus brachte, wo kaum einer Lateinisch oder Griechisch sprach und wo selbst die Natur dem sensiblen Dichter feindselig entgegentrat. Ovid nahm sein Schicksal trotzdem an und ertrug es mit stoischer Souveränität bis zu seinem Tod am Verbannungsort. Doch er versank nicht in apathischer Melancholie und endgültiger Resignation, sondern er blieb kreativ und fügte seinem bereits bedeutenden poetischen Werk, von dessen Unsterblichkeit er selbst in den tristen Tagen am Pontus überzeugt blieb, zwei weitere Höhepunkte literarischen Schaffens hinzu: die „Tristia“ und die „Epistulae ex Ponto“

Beide Gedicht-Bände sind herausragende Apologien seiner Existenz und seines Künstlertums; die Poeme rechtfertigen sein früheres Handeln, sein Leben und Leiden als Verbannter am fremden Meeresstrand; und beide Dichtungen sind zugleich einzigartige Zeugnisse erlebter Einsamkeit und antiker Melancholie-Erfahrung von unvergleichlicher, nie gekannter Intensität.
Im dritten Buch der „Lieder der Trauer“, die von den Tränen des Dichters getränkt sind, fängt Ovid die exponierte Leidsituation des zu Unrecht Verbannten ein, indem er sich als einen, von allen positiven Werten abgeschnittenen Einsamen darstellt, der physisch und psychisch angeschlagen kurz vor der Verzweiflung steht:


„Falls du vielleicht dich verwundern solltest, weshalb eines andren


Finger den Brief von mir schrieben, vernimm: ich war krank,


krank am äußersten Rand einer Welt, die mir nicht bekannt ist,


war ich verzweifelt beinah, ob ich noch würde gesund.


Kannst du dir denken, wie jetzt, da ich liege in grausiger Gegend,


zwischen den Geten es mir und den Sarmaten zumut?


Weder das Klima ertrag’ ich, noch schmeckt mir das hiesige Wasser,


und es missfällt auch das Land selbst mir, ich weiß nicht wieso;


kein geeignetes Haus noch Speise, die nützlich dem Kranken;


keiner erleichtert die Pein durch apollinische Kunst,


auch kein Freund ist da, der mich tröstet oder die träge


weitergleitende Zeit mir durch Erzählen vertreibt.


Müde liege ich so in der Ferne bei fremdesten Völkern:


jetzt, da ich leidend bin, spür’ ich, was alles mir fehlt;


alles zwar fällt mir dann ein, doch du, Frau, gehst über alles,


mehr als zur Hälfte gehört dir meines Herzens Bereich.“[3]


 
Der gefeierte Dichter von einst, fern von Rom, von allem abgeschnitten, verharrt allein in der Krankheit - Isolation und Deprivation werden ihm schmerzlich bewusst. Die Entlegenheit in der bedrohlichen, einschränkenden Eiswüste macht ihm zu schaffen. Er hat das Gefühl, tatsächlich am Ende der Welt angelangt zu sein; eine Empfindung, die ihm noch bewusster wird, je mehr er darüber nachdenkt. Dem großen Dichter Ovid fehlt vor allem das, was allen Einsamen aller Zeiten fehlt – die Geborgenheit an sich und in trauter Zweisamkeit, das vertraute Miteinander mit der zweiten Seelenhälfte, mit der Lebensgefährtin und Ehefrau, die in Rom zurückbleiben musste. Es wird nicht in seiner Macht stehen, diesen Zustand des Getrennt-leben-Müssens abzuändern. Er wird auch keine neue Beziehung eingehen. Und er wird sich unter den Einheimischen keine andere Frau suchen. Dem Poeta laureatus verbleibt nur das elegische Klagen, Anklagen und das Beklagen seines Daseins in Einsamkeit auf der Bahn in die Vereinsamung.


 Bild 2.


Am „Meer“


In den „Briefen“ (Epistulae ex Ponto) wird das Beklagen der Isolation erneuert und verstärkt, wobei Ovid eine moralische Wertung des Verbannungsortes einfließen lässt:


„Da ich indessen das Land entbehre, wo einst ich geboren,


glaubt’ ich, ein menschlicher Ort werde mein Aufenthalt sein:


einsam lieg’ ich am Strande des äußersten Endes der Erde,


wo der Boden bedeckt bleibt von beständigem Schnee;“[4]


 


Ovid klagt an. Er wird zum Zeitkritiker und tadelt, an die Römer in Rom gerichtet, auf Fürsprache und Rettung hoffend, die inhumane Verbannung als gängiges Mittel der Machtpolitik: Einen Menschen für längere Zeit seines vertrauten Umfelds, seiner Heimat zu berauben, ihn zu zwingen, in die Fremde zu gehen, eine seit dem Bestehen der griechischen Polis viel geübte Praxis, ist an sich schon unmenschlich. Noch inhumaner aber ist die Verbannung eines Geistes in die tatsächliche Wüste, an einen lebensfeindlichen Ort ohne Frieden, wo nicht nur Äpfel fehlen und süße Trauben, Weiden am Ufer und Eichen am Berghang, sondern auch die elementaren Lebensbedingungen wie Trinkwasser, ein festes Haus und die höheren Notwendigkeiten eines hochintellektuellen Menschen und Künstlers, die dieser zum seelischen Überleben braucht.


Ovid wird die in intensiver Klage formulierten Gedanken vielfach leitmotivisch wiederholen, er wird sie zur Anklage steigern und damit immer wieder auf sein ungerechtfertigtes und ungerechtes Leiden hinweisen. Fern von der Hauptstadt des Weltimperiums vermisst er vor allem die vertraute Sprache, das gepflegte Latein, die Möglichkeit der direkten Kommunikation, die gesamte Welt der Kunst, die geordnete Zivilisation, die manchen Qualen Linderung schafft, selbst in der Krankheit. Die Gegend ist ihm, dem mediterranen Menschen aus Mittelitalien, viel zu rau und abstoßend. Fast nur starres Eis und grimmige Kälte bestimmen sein Umfeld. Selbst die Menschen um ihn herum, mit denen er sich anfangs nicht unterhalten kann, deren Sprache er aber noch erlernen wird, erscheinen ihm fremd. Er vermisst die vertraute Ansprache des Intimfreundes, die gesellschaftliche Kommunikation auf dem Forum. Vor allem aber fehlt ihm, dem Liebenden, die ihm zugeneigte Gattin, es ist die dritte Frau, die – wohl als Teil, der perfiden Bestrafung – in Rom zurückbleiben musste. Der Liebesentzug steigert die Verbannung des Einsamen zum andauernden Marter- und Folterinstrument.






[1] Publius Ovidius Naso: Briefe aus der Verbannung. Lateinisch und deutsch. Übertragen von Wilhelm Willige. Eingeleitet und erläutert von Georg Luck. Zürich und Stuttgart 1963. (TRISTIA EPISTULAS EX PONTO). Bzw. Ovidius Naso, Publius: Briefe aus der Verbannung. Tristia, Epistulas ex Ponto. Lateinisch - deutsch. Übertragen von Wilhelm Willige. Eingeleitet und erläutert von Niklas Holzberg. München, Zürich 1990.




[2] Verbannung, ein großes Thema nicht nur der Antike, durchaus wert, in einer eigenständigen Untersuchung über Einsamkeit abgehandelt zu werden. Mythische Gestalten wie Prometheus, Sisyphus, Tantalus werden von den Göttern an ferne, entlegene Orte verbannt, um dort ihre in Hybris und Rebellion begangenen Verfehlungen abzuarbeiten. Von der Verbannung betroffen ist letztendlich selbst der Weltenlenker Napoleon Bonaparte, auf Elba im Mittelmeer zunächst, dann, nach Waterloo, endgültig isoliert und politisch eliminiert, auf der Insel St. Helena im Stillen Ozean, einer, der wie antike Cäsaren, vorher gnadenlos andere verbannte.

 

Im zaristischen Russland trifft die Verbannung den Nationaldichter Puschkin ebenso wie Dostojewski oder ein Jahrhundert danach, zur  Zeit der stalinistisch-kommunistischen Diktatur, Solschenizyn und Sacharow. Während der Anarchist und Nihilist Tolstoi aus der  freiwilligen Selbstisolation heraus Werke der Weltliteratur schafft, müssen sowohl Puschkin wie auch Dostojewski die Heimsuchungen der Verbannung existenziell und künstlerisch meistern, im entschiedenen Amor fati – wie in Puschkins Poem „Einsamkeit“ belegt. Statt zu klagen wie Ovid, wird das Los prometheisch-heroisch angenommen. Man macht das Beste daraus. Für Puschkin wird die Verbannung nach Bessarabien sogar zum Glücksfall, zur Chance. Das Fernsein von Moskau rettet ihm in den Tagen politischer Verfolgung das Leben, führt ihn näher an das Volk heran und - über Reflexion und Poesie - zum Selbst.
 




[3] Tristium, III, 3. Ovid, Zit. Ausgabe von 1963, S. 117f.



[4] Ebenda, Epistulae I, 3. S. 315.


 



Inhalt des Buches: 

Carl Gibson

Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca


zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche


Carl Gibson

Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca
zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche





Das 521 Seiten umfassende Buch ist am 20 Juli 2015 erschienen. 

Carl Gibson

Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca
zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche


Motivik europäischer Geistesgeschichte und anthropologische Phänomenbeschreibung – Existenzmodell „Einsamkeit“ als „conditio sine qua non“ geistig-künstlerischen Schaffens


Mit Beiträgen zu:

Epikur, Cicero, Augustinus, Petrarca, Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Ficino, Pico della Mirandola, Lorenzo de’ Medici, Michelangelo, Leonardo da Vinci, Savonarola, Robert Burton, Montaigne, Jean-Jacques Rousseau, Chamfort, J. G. Zimmermann, Kant, Jaspers und Heidegger,


dargestellt in Aufsätzen, Interpretationen und wissenschaftlichen Essays

1. Auflage, Juli 2015
Copyright © Carl Gibson 2015
Bad Mergentheim

Alle Rechte vorbehalten.


ISBN: 978-3-00-049939-5


Aus der Reihe:

Schriften zur Literatur, Philosophie, Geistesgeschichte
und Kritisches zum Zeitgeschehen. Bd. 2, 2015

Herausgegeben vom
Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim


Bestellungen direkt beim Autor Carl Gibson,

Email: carlgibsongermany@gmail.com

-         oder regulär über den Buchhandel.

„Fliehe, mein Freund, in deine Einsamkeit!“ – Das verkündet Friedrich Nietzsche in seinem „Zarathustra“ als einer der Einsamsten überhaupt aus der langen Reihe illustrer Melancholiker seit der Antike. Einsamkeit – Segen oder Fluch?

Nach Aristoteles, Thomas von Aquin und Savonarola ist das „zoon politikon“ Mensch nicht für ein Leben in Einsamkeit bestimmt – nur Gott oder der Teufel könnten in Einsamkeit existieren. Andere Koryphäen und Apologeten des Lebens in Abgeschiedenheit und Zurückgezogenheit werden in der Einsamkeit die Schaffensbedingung des schöpferischen Menschen schlechthin erkennen, Dichter, Maler, Komponisten, selbst Staatsmänner und Monarchen wie Friedrich der Große oder Erz-Melancholiker Ludwig II. von Bayern – Sie alle werden das einsame Leben als Form der Selbstbestimmung und Freiheit in den Himmel heben, nicht anders als seinerzeit die Renaissance-Genies Michelangelo und Leonardo da Vinci.

Alle großen Leidenschaften entstehen in der Einsamkeit, postuliert der Vordenker der Französischen Revolution, Jean-Jacques Rousseau, das Massen-Dasein genauso ablehnend wie mancher solitäre Denker in zwei Jahrtausenden, beginnend mit Vorsokratikern wie Empedokles oder Demokrit bis hin zu Martin Heidegger, der das Sein in der Uneigentlichkeit als eine dem modernen Menschen nicht angemessene Lebensform geißelt. Ovid und Seneca verfassten große Werke der Weltliteratur isoliert in der Verbannung. Petrarca lebte viele Jahre seiner Schaffenszeit einsam bei Avignon in der Provence. Selbst Montaigne verschwand für zehn Jahre in seinem Turm, um, lange nach dem stoischen Weltenlenker Mark Aurel, zum Selbst zu gelangen und aus frei gewählter Einsamkeit heraus zu wirken.

Weshalb zog es geniale Menschen in die Einsamkeit? Waren alle Genies Melancholiker? Wer ist zur Melancholie gestimmt, disponiert? Was bedingt ein Leben in Einsamkeit überhauptWelche Typen bringt die Einsamkeit hervor? Was treibt uns in die neue Einsamkeit? Weshalb leben wir heute in einer anonymen Single-Gesellschaft? Wer entscheidet über ein leidvolles Los im unfreiwilligen Alleinsein, in Vereinsamung und Depression oder über ein erfülltes, glückliches Dasein in trauter Zweisamkeit? Das sind existenzbestimmende Fragen, die über unser alltägliches Wohl und Wehe entscheiden. Große Geister, Dichter, Philosophen von Rang, haben darauf geantwortet – richtungweisend für Gleichgesinnte in ähnlicher Existenzlage, aber auch gültig für den Normalsterblichen, der in verfahrener Situation nach Lösungen und Auswegen sucht. Dieses Buch zielt auf das Verstehen der anthropologischen Phänomene und Grunderfahrungen Einsamkeit, Vereinsamung, Melancholie und Acedia im hermeneutischen Prozess als Voraussetzung ihrer Bewältigung. Erkenntnisse einer langen Phänomen-Geschichte können so von unmittelbar Betroffenen existentiell umgesetzt werden und auch in die „Therapie“ einfließen.

Carl Gibson, Praktizierender Philosoph, Literaturwissenschaftler, Zeitkritiker, zwölf Buchveröffentlichungen. Hauptwerke: Lenau. Leben – Werk – Wirkung. Heidelberg 1989, Symphonie der Freiheit, 2008, Allein in der Revolte, 2013, Die Zeit der Chamäleons, 2014.




ISBN: 978-3-00-049939-5


Inhalt:


Einleitung: „Einsamkeit“ heute – Segen oder Fluch?. 6
Der Mensch der Single-Gesellschaft – Leben im uneigentlichen Sein?. 6

Teil I: Griechisch-römische Antike. 12

1. Waren die heiteren Griechen auch einsam? Das Verständnis von Einsamkeit und Melancholie bei Vorsokratikern und Aristoteles. 12
1.2. Der Melancholiker – ein Genie? - Empedokles, Demokrit und eine nicht authentische, missverstandene Aristoteles-Sentenz  13
1.3. Im Garten des Epikur – Lebe zurückgezogen! Das naturgemäße Leben im Verborgenen. 18
2. Marcus Tullius Cicero - Einsamkeit und Gesellschaft: Musischer Rückzug in den ruhigen Hafen – „otio“ - „Gespräche in Tusculum“  22
3. Ovidius Naso in Verbannung in Tomis, am Schwarzen Meer – Vereinsamung und Melancholie im Spätwerk, in den Elegien „Tristia“ und in den Briefen „Epistulae ex Ponto“. 26
3. 1. „einsam lieg’ ich am Strande des äußersten Endes der Erde“ - Zur Einsamkeit verdammt am Ende der Welt: Ovids melancholische Dichtung vom Pontus. 26
3. 2. Nemo propheta in patria?. 32
3. 3. Kummer, „aegritudo“, „mania“, „melankolia“ in Ciceros „Disputationes Tusculanae“ - Bellerophon, der antike Einsame, Unbehauste; Einsamkeit und Melancholie in der mythisch-analytischen Zeitdiskussion. 35
3. 4. Psychosomatik. 40
3. 5. Das „Schwarze Meer“ und „Tomis“ – antike Unort(e)?. 43
3. 6. Künstlerisches Schaffen in Einsamkeit an sich und als Selbsttherapie  47
3. 7. Melancholie und Versöhnung – Concordia und Amor fati 54
4. Lucius Annäus Seneca - Lebe zurückgezogen - „solitudine“ und „in otio“  57
4. 1. „exsilium“, Senecas Verbannung auf Korsika – Unfreiwillige, äußere Einsamkeit und innere Freiheit, dargestellt im „Epigramm“  58
4. 2. Existenzbewältigung über Poesie bei Ovid und ethisches Philosophieren bei Seneca  63
4. 3. Ruhe der Einsamkeit - Apathie, Ataraxie, Eudämonie, „constantia“. 64
4. 4. „De constantia sapientis“ – Die „Unerschütterlichkeit des Weisen“. 66
4. 5. „Jeglicher Ort ist für den Weisen Heimatland.“ – Oder: „Patria est, ubicumque est bene“  68
4. 6. Senecas Klage als Anklage – Gesellschaftskritik und Dekadenz-Kritik aus der Einsamkeit des Exils heraus in der Auseinandersetzung mit den Tyrannen Caligula und Nero. 74
4. 7. „De otio“ – Von der „Zurückgezogenheit“; Zwischen stiller Muße (otio) und hektischer Geschäftigkeit (negotio) 77
4. 8. In „secreto“ – „Menschen (…) leisten in der Einsamkeit Größtes“- Ethische Haltung und Charakterbildung entstehen in der Stille der „Zurückgezogenheit“. Die Funktionen des einsamen Lebens und der Nutzen für die Gesellschaft 77
4. 9. Selbsterkenntnis und die Idee des Selbstseins erwachsen dem Alleinsein - Das Existieren in der Eigentlichkeit. Psychologische und soziologische Aspekte erfahrener Einsamkeit 81
4. 10. Die Gefahren des Alleinseins – Einsamkeit als Last 83
4. 11. Das Alleinsein in den eigenen vier Wänden – Chance und Risiko. Freiwilliger Rückzug in die Einsamkeit, statt Weltflucht aus Enttäuschung und Überdruss. 84
4. 12. Typen und Charaktere – introvertiert oder extrovertiert? Senecas Beschreibung der Melancholie-Symptomatik  86
4. 13. Geselligkeit – Senecas Plädoyer für ein ausgewogenes Wechselverhältnis zwischen freiwilligem Sein in Einsamkeit und sozialem Austausch  90
4. 14. Schöpferische Einsamkeit - Medium des Kreativen. 91
4. 15. Die Apotheose des einsam-kontemplativen Lebens in der Schrift „De brevitate vitae“, „Die Kürze des Lebens“  93
4. 16. Im „Jetzt“ leben, nicht erst morgen und am Leben vorbei! Hic et nunc und Memento mori! 95
4. 17. Der ruhige Hafen als Endziel - Individuelles Leben oder Massen-Existenz?  97
5. Mark Aurel - Der Weg zum Selbst in Zurückgezogenheit 99
5. 1. Gelebter Stoizismus als Vorbild. 101
5.2. „Alleinsein“ bei Epiktet – Individualität und Selbsterkenntnis. 101

Teil II: Vom frühen Mittelalter bis zur Scholastik. 103

1. „Einsamkeit“ und „Melancholie“ im frühen Mittelalter. Anachoreten im frühen Christentum - „anachoresis“ und „monachoi“. 103
1.1.         Eremitentum und monastisches Leben um 300 – 400 n. Chr. Antonius, (der Ägypter), Evagrius Ponticus und Augustinus: DerWeg zu Gott vollzieht sich in der Einsamkeit 103
1.2. Antonius, der Ägypter – Einsiedlertum, Wüstenspiritualität und Mystik  105
1.3. Aurelius Augustinus in „reiner Einsamkeit“ - „Alleingespräche“ aus Cassiciacum - Früchte des Schaffens in der Einsamkeit des Selbstgesprächs  107
1.4. „Acedia“ seit Evagrius Ponticus, bei Thomas von Aquin und Bonaventura  110
1.5. Die „Wirkscheu“ des Johannes Cassian. 113
1.6. Thomas von Aquin - Wirkscheu ist Todsünde – Acedia oder „Tristitia“  113
2. Deutsche Mystik. 115
2.1. Meister Eckhart: Die absolute Freiheit des Gottsuchenden - Der unmittelbare, mystische Weg zu Gott. „Abgeschiedenheit“ und „innerliche Einsamkeit“ neu definiert 115
2.2. In der Abgeschiedenheit – Das Aufgeben des Selbst, das Ledigwerden, als Voraussetzung der Unio mystica und die Gottesgeburt 115
2.3. „innerliche Einsamkeit“ – Zum Wesen der Dinge! 120
2.4. „Unio mystica“ und Buddhismus – Stufen und Wege des Rückzugs aus allgemein philosophischer, christlicher Sicht bzw. aus der Perspektive der Zen-Meditation - Exkurs. 121
2.5. Heinrich Seuses „Weg in die Innerlichkeit“ und die Beschreibung der Mönchskrankheit (Acedia) in der Schrift „Das Leben des Dieners“  125
2.6. „Das Büchlein der ewigen Weisheit“ - „Wie man innerlich leben soll“, „lautere Abgeschiedenheit“ und Entwerdung (Selbst- bzw. Ich-Auflösung) 129
2.7. Theresa von Avila - „Der Weg zur Vollkommenheit“ und „Die Seelenburg“.

Teil III: Humanismus

1. Francesco Petrarcas Loblieder auf die Einsamkeit. Der zentrale Stellenwert der „Einsamkeit“ im Werk der Humanisten  135
1.1. Zur Vita Petrarcas – Von der Vita activa zur Vita contemplativa im mundus aestheticus  135
1. 2. „De otio et solitudine“ - Von Freiheit (Muße) und Einsamkeit 137
1.3. „De vita solitaria“: Francesco Petrarcas Hymnus in Prosa auf das Leben in Einsamkeit. Die Begründung der Auffassung von der „schöpferischen Einsamkeit” als elitäre Phänomen-Definition. 139
1.4. „felix solitarius“ contra „miser occupatus“ – besser allein, frei und glücklich als vielbeschäftigt, gestresst und in permanenter Disharmonie – Einsamkeit: die „conditio sine qua non“ einer ethisch fundierten Lebensführung und Existenzbewältigung  141
1.5. Zur Modernität des Existenzmodells „Leben in der Eigentlichkeit“. 142
1.6. Das schaffende Subjekt … und die Ahnenreihe der Einsamen. 143
1.7. „Secretum“ – Melancholie und Misanthropie. 147
1.8. „Gespräche über die Weltverachtung“: Petrarcas negativer Melancholie-Begriff und Dante  148
1.9. Melancholie und Selbst-Therapie – Ist die „unheilvolle“ „Seelenkrankheit“ „Weltschmerz“ heilbar?  149
1.10. Dante weist die Muse Melancholie zurück. 155

Teil IV: Renaissance. 156

Einsamkeit und Melancholie während der Renaissance in Italien - Die „Saturniker“ des Mediceer-Kreises  156
1. Angelo Poliziano – Der Dichter am Kamin als personifizierte Melancholie und eine Melancholie-Beschreibung im Geist der Zeit. 156
2. Marsilio Ficino – Therapierte Melancholie. Das Bei-sich-Selbst-Sein der Seele führt zu Außergewöhnlichem in Philosophie und Kunst 159
2.1. Marsilio Ficino in freiwilliger Zurückgezogenheit in Carreggi - Einsamkeit als „conditio sine qua non“ des künstlerischen Schaffens  160
2.2. Im Zeichen des Saturn - Marsilio Ficinos Werk, „De vita triplici“, eine Diätetik des saturnischen Menschen. Ficinos astrologisch determinierter, antik physiologischer Melancholie-Begriff. 161
2.3. Definition der Melancholie und des Melancholikers in „Über die Liebe oder Platons Gastmahl“ - Die Liebe als melancholische Krankheit?  163
2.4. Krankheit „Melancholie“ - Therapeutikum Musik. 166
3. Pico della Mirandolas Entwurf des Renaissancegenies in „De hominis dignitate“ – Von Einsamkeit und Freiheit 167
3.1. Die „dunkle Einsamkeit Gottes“. 168
3.2. „Die Freiheit des Menschen“ und der „Geniebegriff der Epoche“ in „Oratio“  170
3.3. Die ethisch eingeschränkte Freiheit des Genies und das Humanum als Endziel 172
4. Lorenzo de’ Medicis „melancholische“ Dichtung. 174
4.1. War der Prächtige ein Melancholiker? Vanitas, Wehmut und Schwermut 175
4.2. Der Typus des „Inamoroso“ als Melancholiker - Liebeslyrik im Sonett 179
4. 3. Melancholia - Lorenzo de’ Medici rezipiert Walter von der Vogelweide  184
5. Die Familie der Melancholiker oder die Metamorphose des sinnenden Geistes zur Plastik und zum Gedicht - Exkurs  186
6. Einsamkeit, Melancholie und künstlerisches Schaffen während der Renaissance in Italien. 189
6.1. Geniale Werke der Einsamkeit bei Michelangelo Buonarroti und Leonardo da Vinci - Einsamkeit als die künstlerische Schaffensbedingung schlechthin, als „conditio sine qua non“ des kreativen Subjekts. 190
6.2. Michelangelo Buonarroti - „Wer kann, wird niemals willig sein.“ – Individuelle Freiheit und künstlerische Selbstbestimmung  190
6.3. Große Kunst ist gottgewollt 192
6.4. Der Schaffende ist das Maß aller Dinge - oder die Lust, mit dem Hammer neue Werte zu schaffen  194
6.5. Weltflucht und Weltverachtung. 195
6.6. Der sinnende Melancholiker „Micha Ange bonarotanus Florentinus sculptor optimus“  197
6.7. – „La mia allegrezz’ e la maniconia” – “Meine Lust ist die Melancholie!” – Existenzbewältigung im “Amor fati“ oder eine ins Positive transponierte „Melancholie als Mode“?. 199
6.8. Hypochondrie und Misanthropie in burlesker Entladung – bei Michelangelo und Leonardo  201
6.9. Michelangelos „Sonette“: Kreationen reiner Eitelkeit?. 211
7. Leonardo da Vinci – Ein Einsamer, aber kein Melancholiker. Die Wertschätzung der „vita solitaria e contemplativa“. 214
7.1. Leonardo und Michelangelo – ein geistesgeschichtlicher Vergleich. Der verbindende Hang zur Einsamkeit … und viele Kontraste! 222
8. Girolamo Savonarola – Der melancholische Reformator vor der Reformation  225
8.1. Gott geweihtes Leben in stiller Einkehr und früher Protest aus der Klosterzelle  230
8. 2. Zeitkritik und Fragen der Moral in „Weltflucht“ und „De ruina mundi“- Vom Verderben der Welt 231
8.3. Kritik des Christentums sowie des dekadenten Papsttums im poetischen Frühwerk - „De ruina Ecclesiae“ oder „Sang vom Verderben der Kirche“, (1475) 237
8.4. „Poenitentiam agite“! – Buße , Einkehr, Rückbesinnung, Katharsis. 239
8.5. Savonarolas Humanismus-Kritik und seine Zurückweisung der Astrologie – ist die Philosophie eine Magd der Theologie?  243
8.6. Sozialreformer Savonarola - „De Simplicitate vitae christianae“ - Von der Schlichtheit im Christenleben. 246
8.7. Savonarola setzt politische Reformen durch – Über die demokratische Verfassung in Florenz zum Fernziel der Einheit Italiens  248
8.8. Niccolo Machiavelli und Die Schwermut der Tyrannen. 250
8.9. Einsamkeit, Kontemplation und rhetorischer Auftritt – Savonarola Volkstribun und Redner nach Cicero?  254
8.10. Einsamkeit und Gesellschaft bei Savonarola. 255
8.11. Christliche Ethik als geistige Basis der Staatsform – Contra Tyrannis  256
8.12. „Der Tyrann“ trägt „alle Sünden der Welt im Keim in sich“ - Melancholie als Krankheit: Savonarolas Typologie, Definition und Phänomen-Beschreibung des Renaissance-Macht-Menschen und das Primat des Ethos im Leben und im Staat. 259
8.13. Genies des Bösen – Lorenzo de’ Medici und der Borgia-Clan. 260
8.14. Thomasso Campanellas idealer Gegenentwurf zum Typus des Tyrannen in seiner christlich-kommunistischen Utopie „Città del sole“  263
8.15. Golgatha - Traurigkeit und Verlassenheit in der Todeszelle und auf dem Scheiterhaufen  264
8.16. Hybris und Zuflucht zu Gott – „in Schwermut und voll Schmerz“! 266
8.17. Melancholia - „In te, Domine, speravi“, letzte Einsamkeit und existenzielle Traurigkeit - Hoffnung gegen Melancholie?  268
8.18. Auch Päpste irren! Schweigepflicht, Exkommunikation, Inquisition, Folter – Reformator Savonarola stirbt den Flammentod in Florenz  272
8.19. Giordano Bruno und die Flammen der Inquisition – Der Märtyrer-Tod auf dem Scheiterhaufen wiederholt sich … doch  274
9. Michel de Montaignes Essay „De la solitude“- Das Leben in Abgeschiedenheit zwischen profaner Weltflucht und ästhetischer Verklärung  276
9.1. Süße Weltflucht in den Turm – Melancholie als Habitus. 276
9.2. War Michel de Montaigne ein Melancholiker?. 278
9.3. Einsamkeit, ein Wert an sich, ist nie Mittel zum Zweck, sondern immer Selbstzweck. 280
9.4. „Nichts in der Welt ist so ungesellig und zugleich so gesellig als der Mensch“ – Einsamkeit und Gesellschaft 284
9.5. Vanitas - Der Rückzug aus der Gesellschaft ist auch historisch bedingt 289
10. „The Anatomy of Melancholy“ - Der extensive Melancholie-Begriff bei Democritus junior alias Robert Burton  292
10.1. „Elisabethanische Krankheit“ oder „maladie englaise“ – Melancholie als Mode!? Von der Pose zur Posse?  292
10.2. Demokritos aus Abdera – Der lachende Philosoph als Vorbild und Quelle der Inspiration  294
10.3. „sweet melancholy“ - Burtons Verdienste bei der Umwertung und Neuinterpretation der grundlosen Tieftraurigkeit zur „süßen Melancholie“  297
10.4. „Göttliche Melancholie“: „Nothing’s so dainty sweet as lovely melancholy“ - Zur positiven Melancholie-Bewertung vor, neben und nach Burton  302

Teil V: „Einsamkeit“ und Melancholie in der Moderne. 304

1. Jean-Jacques Rousseau – Alle großen Leidenschaften entstehen in der Einsamkeit. Die Apotheose der Einsamkeit im Oeuvre des Vordenkers der Französischen Revolution. 304
1.1. Rückzug, „Schwermut“ und „Hypochondrie“. 304
1.2. „Zurück zur Natur“! im „Discours“ - Plädoyer für das einfache Leben und harsche Gesellschaftskritik. Macht die „Sozialisierung“ den an sich guten Menschen schlecht?. 306
1.3. Im Refugium der Eremitage von Montmorency: Kult der Einsamkeit – Landleben, Naturgenuss und geistiges Schaffen  308
1.4. „Sanssouci“ – Asyl: Ein Einsamer, Friedrich der Große unterstützt einen anderen Einsamen, den verfolgten Wahlverwandten Jean-Jacques Rousseau. 312
1.5. „Les Rêveries du promeneur solitaire“ - Träumereien eines einsamen Spaziergängers  314
1.6. Einsamkeit ist im Wesen des Künstlers selbst begründet - «Toutes les grandes passions se forment dans la solitude»! 316
2. Einsamkeit und Gesellschaftskritik im Werk der Französischen Moralisten La Rochefoucauld, Vauvenargues und Chamfort 318
2.1. Rekreation im Refugium – die bücherlesende Einsamkeit des Herzogs La Rochefoucauld  319
2.2. Einsamkeit – Katharsis, Chance und Gefahr 320
2.3. Chamfort - „Vom Geschmack am einsamen Leben und der Würde des Charakters“ - „Man ist in der Einsamkeit glücklicher als in der Welt.“  321
2.4. Abkehr von der Gesellschaft, melancholische Heimsuchungen, Vereinsamung und Menschenhass  323
2.5. „Ein Philosoph, ein Dichter, sind fast notwendig Menschenfeinde“ – Chamforts Rechtfertigung von Misanthropie und Melancholie. 325
3. „Ueber die Einsamkeit“ - Johann Georg Zimmermanns Monumentalwerk aus dem Jahr 1784/85 - Einsamkeit als Lebenselixier – Die Gestimmtheit im deutschen Barock – Inklination zur Melancholie?. 326
3.1. Von den „Betrachtungen über die Einsamkeit“ zur Abhandlung „Von der Einsamkeit“ – Thema mit Variationen  328
3.2. Die Ursachen von wahrer und falscher Einsamkeit - Müßiggang, Menschenhass, Weltüberdruss und Hypochondrie  330
3.3. „gesellige Einsamkeit“ - eine „contradictio in adjecto“?. 331
3.4. Aufklärer Immanuel Kant definiert den zur „Melancholie Gestimmte(n)“, „Melancholie“ als „Tiefsinnigkeit“ und die „Grillenkrankheit“ Hypochondrie richtungweisend für die Neuzeit. Exkurs. 333
4. Arthur Schopenhauers „elitäres“ Verständnis von Einsamkeit - nur wer allein ist, ist wirklich frei! 336
4.1. Der Ungesellige - „Er ist ein Mann von großen Eigenschaften.“. 338
4.2. Die „Einsamkeit ist das Los aller hervorragenden Geister“ - Ist der Mensch von Natur aus einsam? Ist „Einsamkeit“ ein Wert an sich?  341
4.3. Das Sein in der Einsamkeit als existenzielles Problem - Einübung in die zurückgezogene Lebensführung. 343
5. Lenau, Dichter der Melancholie. „Einsamkeit“ und Schwermut (Melancholie) im Werk von Nikolaus Lenau – Anthropologische Phänomenbeschreibung und literarisches Motiv. 345
5.1 Lenaus Verhältnis zur Philosophie. Entwicklung und Ansätze. 346
5.2. „Einsamkeit“ und „Vereinsamung“ als existenzielle Erfahrung. 351
5.3. Nikolaus Niembsch von Strehlenau, genannt „Lenau“ vereinsamt in Wien  352
5.4. Das „melancholische Sumpfgeflügel der Welt“ - Vereinsamt in Heidelberg und Weinsberg. Therapeutikum Philosophie: Lenau setzt der „Seelenverstimmung“ die „Schriften Spinozas“ entgegen! 357
5.5. Amerika – Lenaus Ausbruch in die Welt der Freiheit 358
5.6. Schwermut und Hypochondrie – Therapeutikum: Philosophie und Sarkasmus  359
5.7. „Einsam bin ich hier, ganz einsam. Aber ich vermisse in meiner Einsamkeit nur dich.“  361
5.8. „wahre Menschenscheu“ - „Die Geselligkeit“ „ist ein Laster“ - „Mein Leben ist hier Einsamkeit und etwas Lyrik.“  362
5.9. Die „äußere Einsamkeit“– Vom „Locus amoenus“ zum „Locus terribilis“  364
5.10. Situation und Grenzsituation – präexistenzphilosophisches Gedankengut bei Lenau auf dem Weg zu Karl Jaspers. Exkurs. 366
5.11. „Einsamkeit“ als ontische Dimension - Menschliches Dasein ist nicht Gesellig-Sein – Mensch-Sein bedeutet ein Sein in Einsamkeit. 371
5.12. „Einsame Klagen sinds, weiß keine von der andern“ - Monologische Existenz in dem existenzphilosophischen Gedicht „Täuschung“  372
5.13. In „dunklen Monologen“ - „Jedes Geschöpf lebt sein Privatleben“ - Mitsein in existenzieller Gemeinschaft erscheint unmöglich  375
5.14. „O Einsamkeit! Wie trink ich gerne / Aus deiner frischen Waldzisterne!“ Dionysisch „zelebrierte Einsamkeit“ im Spätwerk  377
5.15. „Der einsame Trinker“ - Das dionysische Erleben der Einsamkeit im Fest 379
5.16. „Fremd bin ich eingezogen/Fremd zieh ich wieder aus“ - Der „Unbehauste“, ein „Fremdling ohne Ziel und Vaterland“  381
5.17. „Nun ist’s aus, wir müssen wandern!“ - In-der-Welt-Sein ist Einsamkeit 383
5.18. Lenaus melancholische Faust-Konzeption - „metaphysische Vereinsamung“. 388
5.18.1. Der „Unverstandene“, das ist der „Einsame“. 388
5.18.2. Endlichkeit und Ewigkeit 390
5. 18. 3. Die Geworfenheit des existenziellen Realisten „Görg“. 392
5. 18. 4. Das Unbewusste als Antrieb - Die tragisch konzipierte Faust-Figur in Disharmonie mit dem Selbst und in der Uneigentlichkeit 393
5.18.5. Gott ist tot - existenzielle Exponiertheit des metaphysisch Vereinsamten vor Nietzsche und Rilke  397
5.19. Im dunklen Auge – ein „sehr ernster, melancholischer Knabe“, „hochgradig zur Melancholie disponiert“  und hinab gestoßen in die „Hohlwege der Melancholie“: „Mein Kern ist schwarz, er ist Verzweiflung.“ – Melancholie-Symptomatik und Definitionen der Krankheit bei Lenau  403
5.20. „Lieblos und ohne Gott! Der Weg ist schaurig“ – „Die ganze Welt ist zum Verzweifeln traurig.“ „Melancholie“ und „absolute Vereinsamung“ in Lenaus Doppelsonett „Einsamkeit“. 408
5.21. Der Werte-Kampf in Lenaus Ballade „Die nächtliche Fahrt“ - Von darwinistischer Selektion über den „Kampf um das Dasein“ nach existenzphilosophischen Kategorien zur Ethik des Widerstands im Politischen - Exkurs  424
5.21.1. Wettkampf und Werte-Kampf 431
5.21.2. Lenaus Imperialismus-Kritik in seinem „anderen“ Polenlied. 433
5.21.3. Ethik des Widerstands - Der Existenz-Kampf der Individuen entspricht dem Souveränitätsstreben der - tyrannisierten - Völker 434
6. Friedrich Nietzsche, der einsamste unter den Einsamen? Absolute Einsamkeit, extreme Vereinsamung und schwärzeste Melancholie  436
6.1. Wesensgemäße Daseinsform und  Schaffensbedingung der Werke der Einsamkeit. 437
6.2. „Also sprach Zarathustra“ - Nietzsches großer „Dithyrambus auf die Einsamkeit“  438
6.3. Strukturen der „Einsamkeit“ in „Also sprach Zarathustra“. 439
6.4. „Fliehe, Fliehe mein Freund, in deine Einsamkeit!“ - „Wo die Einsamkeit aufhört, da beginnt der Markt.“  442
6.5. Die Auserwählten – Nietzsches kommende Elite: Der „Einsame“ als Brücke zum Übermenschen  444
6.6. Der Einsame – das ist der Schaffende! „Trachte ich nach Glück? Ich trachte nach meinem Werke!“  446
6.7. Nietzsches „Nachtlied“ - das einsamste Lied, welches je gedichtet wurde! 447
6.8. „Oh Einsamkeit! Du meine Heimat Einsamkeit!“. 449
6.9. „Jede Gemeinschaft macht irgendwie, irgendwo, irgendwann – ‚gemein’“ – Zum Gegensatz von individuellem Leben in Einsamkeit und gesellschaftlichem Massen-Dasein. 451
6.10. „Einsam die Straße ziehn gehört zum Wesen des Philosophen.“ Fragmentarische Aussagen zur „Einsamkeit“  453
6.11. Therapeutikum Einsamkeit – schlimme und gefährliche Heilkunst! „In der Einsamkeit frisst sich der Einsame selbst, in der Vielsamkeit fressen ihn die Vielen. Nun wähle.“. 454
6.12. Die „siebente letzte Einsamkeit“ - Nietzsches „Dionysos-Dithyramben“  456
6.13. „Vereinsamt“ – Düstere Melancholie und metaphysische Verzweiflung  458
7. „Einsamkeit“ bei Jaspers und Heidegger - Exkurs. 463
8. Der „Neue Mensch“ – eine Konsequenz der Einsamkeit? „selbstestes Selbst“ und Apologie des Selbst bei Lenau und Nietzsche - Exkurs  466
8.1. Die Suche nach dem „Humanum“ – Absage an den Irrweg „Übermensch“  468
8.2. Lenaus „Homo-Novus-Konzeption“ nach Amalrich von Bene. 470
8.3. „Idemität“ und „Konkreativität“ – Der „menschliche Mensch“! Zur Strukturanthropologie Heinrich Rombachs. Exkurs  473

Teil VI: Essays zur Thematik und kleine Beiträge. 476

9. Stufen der Einsamkeit – Auf dem Weg vom Alleinsein in die Vereinsamung, Melancholie und Verzweiflung – Zur Metamorphose eines anthropologischen Phänomens. 476
9.1. Von der existenziellen Situation „Einsamkeit“ zum Krankheitsbild „Melancholie“ in der Erscheinungsform „Acedia“ und Hypochondrie  480
9.2. Melancholie als Charakteristikum des genialen Menschen. 482
9.3. Die Phänomene „Einsamkeit“, „Alleinsein“, „Vereinsamung“ und „Melancholie“ („Schwermut“, „Depression“) – im Wandel der Zeiten: Anthropologische Konstanten und Grundbefindlichkeiten des Daseins oder zeitbedingte Entwicklungsphänomene? Zur Begriffsbestimmung. 484
9.4. Strukturen der Einsamkeit - Zum Bedeutungswandel der Begriffe Einsamkeit und Melancholie durch die Zeiten  494
9.5. Existenzbewältigung: Angewandte Philosophie in philosophischer Praxis – Zur Konzeption und Intention der Studien zur Einsamkeit. 497
9.6. Zur Einsamkeit verflucht? – Alleinsein zwischen gesellschaftlicher Pest und segensreicher Schaffensbedingung –Selbsterfahrungen und Autobiographisches. 503
9.7. Das Existenzmodell „Alleinsein“ zwischen Weltflucht und verklärender Utopie: Abgeschiedenheit, Einkehr, Selbstfindung, Eigentlichkeit - Selbst erfahrene und selbst beobachtete Phänomene – Einsamkeit, ein Zeitproblem?  506
9.8. Ein Einsamer von heute – In memoriam Theo Meyer.. 513

 
Nachwort: 514
Inhalt: 517
Namenregister: 517
Bibliographie. 539
Primärliteratur 539
Anthologien, Aufsatz-Sammelwerke zur Thematik: 539
Sekundärliteratur: 539
Bilder-Verzeichnis: 539
Bücher von Carl Gibson. 539



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